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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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fallen. Vielleicht wird der neue Anzug, den ich beim Schneider bestellt habe, mir ja Glück bringen. Ein wunderschöner Einreiher aus mitternachtsblauem englischem Kammgarn mit doppelreihiger weinroter Schalkragenweste, der Meter Stoff zu 320 Schilling. Das ist viel Geld, aber eine Investition in die Zukunft. Schließlich muß ich auf der Bühne etwas hermachen, auch optisch. Das ist ungeheuer wichtig in diesem Beruf. Mein Geburtstagsgeschenk an mich selbst. Das spare ich mir vom Mund ab. Und es wird sich lohnen: Ja bestimmt. Mit dem neuen Anzug wird’s auch für mich einen Schritt weitergehen!
    Ich lasse mich von der allgemeinen Fröhlichkeit anstecken. Was soll’s? Mir geht’s doch gut! Immerhin kann ich mir als Musiker mein Geld verdienen, muß keine Kisten schleppen oder Autos betanken wie andere, mit denen ich früher musiziert habe … Das ist doch schon was! Und wir gelten immerhin bei Insidern als beste Band von Salzburg. Die Jugend geht ins »Esplanade«. Man will uns spielen hören. Unser Repertoire ist weit gefächert, von Stimmungsliedern aller Schattierungen über Operetten- und Musicalmelodien bis hin zu jener Musik, an der unser aller Herz hängt: die
Musik einer neuen Zeit, die großen Songs aus Amerika, Gershwin, Sinatra, Swinging music, Jazz. Ich gerate ins Schwärmen.
    »Die Beine von Dolores«, der letzte Refrain. Zum Glück. Ist überhaupt nicht mein Ding. Jetzt noch der hohe Ton. - Irgendwie klappt auch der noch. Der Laden johlt. Die Amerikaner sind gegangen. Ich kann’s verstehen.
    Einer der Schieber, ein junger, glatzköpfiger, etwas snobistisch wirkender Mann hat Patsy fest im Arm. Ich lächle ihr zu, weiß nicht recht, was ich davon halten soll. Ich bin nicht in sie verliebt, aber ich bin um sie besorgt, würde sie gern beschützen vor so einer Welt, der ich noch nicht einmal selbst wirklich gewachsen bin. Jugendliche Liebhaberphantasien. Auch aus Amerika, aus dem Kino. Der Held, der den Drachen tötet und die Prinzessin errettet, das war schon als Kind einer meiner Lieblingsträume. Doch in dieser Zeit haben es Ideale schwer, denke ich mir. Alles ist im Umbruch, im Aufruhr, Werte werden für nichtig erklärt und neu geformt. Orientierung fällt schwer.
    Uns gehört die Zukunft, ein Satz, an den ich manchmal sogar glaube. Das eigene Leben in die Hand nehmen, auch so eine leere Phrase. Eine Gratwanderung zwischen Chance und Versagen, auf der ich manchmal auszugleiten drohe.
    »In München steht ein Hofbräuhaus« grölen die angeheiterten Gäste. Auch das noch. Aber warum eigentlich nicht? Wir stimmen ein. München, das wäre auch mal eine Reise wert. Jazzkeller, Musiklokale, das Oktoberfest läuft doch gerade … Da war ich noch nie.
    Mensch, das wäre doch ein Rahmen für meinen Geburtstag! Am Donnerstagabend ist Ruhetag. Wir könnten am Nachmittag nach München fahren, aufs Oktoberfest gehen und nachts noch in die Jazzschuppen, in meinen Geburtstag hineinfeiern, vielleicht bei einer Jam-Session in einem der verrückten Clubs, ein wenig einsteigen, jazzen mit Münchener Musikern. Am Freitag könnten wir dann rechtzeitig zurücksein, um im Esplanade zu spielen.
    Kurze Musikpause. Die Herrschaften protestieren. Ich zünde mir trotzdem noch eine Zigarette an. Mein Kopf dröhnt, meine Arme scheinen aus Blei zu sein. Nie wieder kann ich mit diesen geschwollenen Fingern Klavier spielen, denke ich und weiß, daß ich es doch kann. Buddy nimmt mich beiseite, spricht aus, was ich gerade gedacht hatte:

    »München, Oktoberfest! - Das wäre eine Gaudi!« Ich bin sofort dabei. Klaus Behmel, unser Gitarrist, auch. Aber wovon sollen wir das bezahlen? Der Teller kann uns diesen Wunsch heute nicht erfüllen. Mal sehen … Ich fühle mich seltsam aufgekratzt. Wie meistens zuviel getrunken, zuviel geraucht, zu lange gespielt. Der Punkt bleierner Müdigkeit ist überschritten. Die Finger werden noch einmal auf die Tasten gezwungen. Zur eigenen Motivation »Blues in B«. - Es geht doch, und wir lassen’s richtig swingen!
    Der Champagner ist geleert, die Gesellschaft will zahlen. Bestimmt kostet das mehr als mein ganzer Anzug. Der Glatzkopf hat Patsy fest im Arm. Man ist sich offenbar einig geworden. Eine alltägliche Sache. Ich zwinge mich, nicht darüber nachzudenken. Wir verabschieden sie mit »Ich hab mich so an dich gewöhnt«.
    Der Glatzkopf kommt demonstrativ auf mich zu, den Arm fest um Patsy gelegt. Ein kurzer, ratloser Blick, verstohlen am Glatzkopf vorbei. Die Traurigkeit in ihrem lächelnden

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