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Der Mann mit dem roten Zylinder

Der Mann mit dem roten Zylinder

Titel: Der Mann mit dem roten Zylinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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interessiert.“
    Er verschweigt, daß es sich um die Berichterstattung über den Ronquist-Prozeß handelte, zu dem er als Hauptzeuge geladen war.
    „Also das ist so“, beginnt sein Reisegefährte mit seiner Schilderung, „da wollte doch irgend so ein Gauner in die Jensen-Bank einbrechen. Aber es blieb beim Wollen. Gegen Morgen fand ihn die Polizei wie ein Wäschepaket verschnürt vor der aufgebrochenen Bank. Na, was sagen Sie jetzt?“
    „Sie meinen die Eingangstür zur Bank“, wirft der Detektiv fragend ein.
    „Ja. Man hat ihn ausgequetscht und dabei erfahren, daß er von einem Mann überwältigt worden sei, der einen knallroten Zylinder auf dem Kopf getragen haben soll.“
    Erik Olanson scheint amüsiert zu sein. So recht will er den Geschichten des Dicken nicht trauen.
    „Die Zeitungen schreiben eine ganze Menge, wenn sie noch viel weißes Papier übrig haben.“
    „Das ist ja nicht alles“, ereifert sich der Mann mit der dicken Uhrkette. „Da ist ja noch die Sache mit der Brieftasche dieses Amerikaners... Stellen Sie sich vor, zehntausend Dollar waren darin.“
    „Und man hat sie ihm gestohlen?“ fragt Olanson.
    „Verloren hat er sie... verloren...“beteuert der Dicke, hochrot im Gesicht, als habe er selbst einen derartigen Verlust zu beklagen. „Nur ein Amerikaner kann wohl eine Brieftasche mit zehntausend Dollar verlieren!“
    Olanson nickt. So unrecht hat er da nicht, denkt er und ist gespannt, wie die Sache weitergeht.
    „Nachts wacht dieser Amerikaner auf und sieht, wie einer in sein Zimmer einsteigt. Und als er Lärm schlagen will — legt ihm ein Mann seine Brieftasche aufs Bett.

    Kann man so etwas verstehen, und hat dieser Mensch nicht unwahrscheinliches Glück?“
    Olanson spinnt den Faden zu Ende: „Und der Mann war sicher der Mann mit dem roten Zylinder, stimmt’s?“
    Der Dicke nickt. „So war es!“ sagt er und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Dieser Zylindermensch hat nicht einmal Finderlohn beansprucht. Wie er gekommen, ist er wieder verschwunden. Durchs Fenster.“
    „Und nichts hat gefehlt?“ will Olanson wissen. „Nichts!“ beteuert sein Gegenüber. „Nichts. Weder die zehntausend Dollar noch eines der Wertpapiere, die auch in der Brieftasche gewesen sein sollen. Der Amerikaner? — Warten Sie, wie heißt er doch?“ Aufgeregt blättert er in seiner Zeitung. — „Rankfield heißt er. — Dieser Rankfield hat nicht einmal danke schön sagen können, so schnell ist alles gegangen.“
    Der Detektiv kann sich ein leises Lächeln nicht verkneifen, als er sieht, in welch eine Aufregung sich sein Reisegefährte hineingesteigert hat. Doch wenn er ehrlich sein will, muß er zugeben, daß ihn das alles zu interessieren beginnt. Etwas wie Jagdfieber hat von ihm Besitz ergriffen, ohne daß er es näher erklären könnte.
    Erik Olanson, der Stockholmer Detektiv, hat keine Ahnung, daß er bald mehr in diese geheimnisvolle Angelegenheit verwickelt sein wird, als ihm lieb ist.

Nächtliches Intermezzo

    Es ist Mitternacht.
    In den Straßen Stockholms hat der Verkehr nachgelassen. Hier und da sieht man verspätete Kino- oder Theaterbesucher. Taxifahrer, die nach Fahrgästen Ausschau halten. Polizisten, die auf ihre Ablösung warten, und manchen einsamen Spaziergänger, der sich die Nacht für einen stillen Bummel ausgesucht hat.
    Auch das ausladende Parkhotel „Royal“ macht von außen den Eindruck tiefster Ruhe.
    Auf der einem großen Park zugewandten Rückseite des Hotels sind nur noch wenige Fenster erleuchtet.
    Leise wispelt das Laub der riesigen Ulmen, deren Kronen fast das fünfte Stockwerk erreichen. Von fern tönt das gedämpfte, tiefe Tuten einer Schiffssirene.
    Und da geschieht es.
    Im sechsten Stockwerk hat sich ein Fenster geöffnet.
    Für Augenblicke beugt sich jemand heraus, um gleich wieder in der Dunkelheit unterzutauchen. Doch jetzt beginnt sich aus dem geöffneten Fenster etwas herauszuringeln. Man könnte es fast für eine Schlange halten, die sich, Meter um Meter, die Fassade abwärts bewegt.
    Es ist ein dickes Seil, das da herabgelassen wird.
    Fünfter Stock.
    Vierter Stock.
    Endlich, in der Höhe des vierten... nein, es ist das dritte Stockwerk, hört die Fortbewegung auf.
    Sekunden vergehen.
    Weiter bewegt sich das Seil.
    Zwei Meter über dem Boden kommt es endgültig zum Stillstand.
    Aus dem schwachen Schimmer des geöffneten Fensters schieben sich ein Paar Beine über die Brüstung.
    Den Beinen folgt der Oberkörper, und bald hängt wie ein

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