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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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gründlichen Anwesenheit Arnheims in seinem Hause nichts bemerkt hätte; er konnte bloß in keiner Weise klug daraus werden. Aber er zeigte es nicht, weil ein Diplomat niemals seine Gedanken zeigt. Dieser Fremde war ihm im höchsten Grade unangenehm, persönlich, aber sozusagen auch grundsätzlich; und daß er offenkundig den Salon seiner Frau zum Operationsfeld für irgendwelche geheime Absichten erwählt hatte, empfand Tuzzi als eine Herausforderung. Er glaubte nicht einen Augenblick den Versicherungen Diotimas, daß der Nabob die Kaiserstadt an der Donau nur darum so oft aufsuche, weil sich sein Geist inmitten ihrer alten Kultur am wohlsten fühle, stand jedoch zunächst vor einer Aufgabe, für deren Lösung ihm jeder Anhaltspunkt fehlte, denn ein solcher Mensch war ihm in seinen amtlichen Beziehungen noch nicht vorgekommen.
    Und seit ihm Diotima ihren Plan auseinandergesetzt hatte, Arnheim eine führende Stellung in der Parallelaktion einzuräumen, und sich über den Widerstand Sr. Erlaucht beklagte, war Tuzzi ernstlich betroffen. Er hielt weder von der Parallelaktion noch vom Grafen Leinsdorf etwas, aber er hatte den Einfall seiner Frau politisch so überraschend taktlos gefunden, daß ihm in diesem Augenblick zumute war, es stürze die langjährige männliche Erziehungsarbeit, die er sich schmeicheln durfte geleistet zu haben, wie ein Kartenhaus zusammen. Sogar dieses Gleichnis hatte Sektionschef Tuzzi in seinem Inneren gebraucht, obwohl er sich sonst niemals Gleichnisse gestattete, weil sie zu literarisch sind und nach schlechter gesellschaftlicher Haltung riechen; diesmal aber war ihm ganz erschüttert dabei zumute.
    Diotima verbesserte allerdings in der Folge ihre Stellung wieder durch ihren Eigensinn. Sie war sanft ausfällig geworden und hatte von einer neuen Art Menschen erzählt, welche die geistige Verantwortung für den Weltlauf nicht mehr untätig den Berufslenkern überlassen könne. Dann hatte sie vom Takt der Frau gesprochen, der zuweilen eine Sehergabe sein könne und den Blick möglicherweise in weitere Fernen lenke als die tägliche Berufsarbeit. Schließlich sagte sie, Arnheim sei ein Europäer, ein in ganz Europa bekannter Geist, die Leitung der Staatsgeschäfte in Europa geschehe zu wenig europäisch und viel zu ungeistig, und die Welt werde nicht Frieden finden, ehe ein weltösterreichischer Geist sie so durchwehe, wie die alte österreichische Kultur sich um die verschiedensprachigen Stämme auf dem Boden der Monarchie schlinge. – Sie hatte noch nie sich so entschieden der Überlegenheit ihres Mannes entgegenzusetzen gewagt, aber Sektionschef Tuzzi wurde dadurch vorübergehend wieder beruhigt, denn er hatte die Bestrebungen seiner Gattin nie für wichtiger als Schneiderfragen angesehn, war glücklich, wenn andere sie bewunderten, und betrachtete nun auch diese Angelegenheit milder und ungefähr so, wie wenn eine farbenfreudige Frau einmal ein zu buntes Band ausgewählt hätte. Er beschränkte sich darauf, ihr mit ernster Höflichkeit die Gründe zu wiederholen, die es in der Männerwelt ausgeschlossen erscheinen ließen, einem Preußen vor aller Augen die Entscheidung österreichischer Angelegenheiten anzuvertraun, räumte aber im übrigen ein, daß es Vorteile bieten möge, sich mit einem Mann in so eigenartiger Stellung zu befreunden, und versicherte Diotima, daß sie seine Bedenken mißdeuten würde, wenn sie aus ihnen schließen wollte, daß es ihm nicht angenehm sei, Arnheim so oft wie möglich in ihrer Gesellschaft zu sehn. Er hoffte bei sich, daß sich auf diesem Wege die Gelegenheit, dem Fremden eine Falle zu stellen, schon finden werde.
    Erst als Tuzzi mitansehen mußte, wie Arnheim überall Erfolg hatte, kam er wieder darauf zurück, daß Diotima sich allzu engagiert mit diesem Manne zeige, aber er erfuhr nun abermals, daß sie seinen Willen nicht wie sonst achtete, ihm widersprach und seine Besorgnisse für Hirngespinste erklärte. Er beschloß, als Mann nicht gegen die Dialektik einer Frau zu streiten, sondern die Stunde abzuwarten, wo seine Voraussicht von selbst triumphieren werde; da ereignete es sich jedoch, daß er einen gewaltigen Antrieb erhielt. Denn eines Nachts beunruhigte ihn etwas, das ihm wie ein unendlich fernes Weinen vorkam; es störte ihn anfangs kaum, er begriff es einfach nicht, aber von Zeit zu Zeit verringerte sich die seelische Entfernung um einen Sprung, und mit einemmal war die bedrohliche Unruhe dicht an seinen Ohren, und er fuhr so jäh aus dem

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