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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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Verwaltungsapparats und eine Reform des Sexuallebens. Wollen die Umstände dem Menschen wohl, so hilft er sich, indem er eines Tags über seinen Punkt ein Buch verfaßt oder eine Broschüre oder wenigstens einen Zeitungsaufsatz und seinen Protest dadurch gewissermaßen bei den Akten der Menschheit zu Protokoll gibt, was ungeheuer beruhigt, selbst wenn es von niemand gelesen wird; gewöhnlich aber lockt es einige Leute an, die dem Verfasser versichern, daß er ein neuer Kopernikus sei, wonach sie sich ihm als unverstandene Newtons vorstellen. Diese Gepflogenheit, sich gegenseitig die Punkte aus dem Fell zu suchen, ist sehr wohltuend und weitverbreitet, aber ihre Wirkung ist nicht dauerhaft, weil die Beteiligten sich nach einer Weile verzanken und wieder ganz allein bleiben; doch kommt es auch vor, daß einer oder der andere einen kleinen Kreis von Bewunderern um sich sammelt, die mit vereinter Kraft den Himmel anklagen, der seinen gesalbten Sohn nicht genügend unterstütze. Und fällt dann plötzlich ein Hoffnungsstrahl aus großer Höhe auf solche Punktehäufchen – wie es geschah, als Graf Leinsdorf öffentlich äußern ließ, daß ein Österreichisches Jahr, wenn es ein solches wirklich geben werde, was damit noch nicht gesagt sein solle, jedenfalls in Übereinstimmung mit den wahren Zielen des Daseins stehen müßte – so nehmen sie das auf wie die Heiligen, denen Gott eine Erscheinung schickt.
    Graf Leinsdorf hatte gedacht, daß sein Werk eine machtvolle, aus der Mitte des Volkes selbst aufsteigende Kundgebung werden solle. Er hatte dabei an die Universität, an die Geistlichkeit, an einige Namen, die niemals in den Berichten über charitative Veranstaltungen fehlen, ja sogar an die Zeitungen selbst gedacht; er rechnete mit den patriotischen Parteien, mit dem »gesunden Sinn« des Bürgertums, das an Kaisers Geburtstag die Fahnen herausstreckt, und mit der Beihilfe der Hochfinanz, ja er rechnete auch mit der Politik, denn er hoffte insgeheim, durch sein großes Werk gerade sie überflüssig zu machen, indem er sie auf den gemeinsamen Nenner Vaterland brachte, den er später durch Land zu dividieren beabsichtigte, um den väterlichen Herrscher als einzigen Rest übrig zu behalten; aber an eines hatte Se. Erlaucht eben nicht gedacht, und er wurde überrascht von dem weit verbreiteten Weltverbesserungsbedürfnis, das von der Wärme einer großen Gelegenheit ausgebrütet wird wie Insekteneier bei einem Brand. Damit hatte Se. Erlaucht nicht gerechnet; er hatte sehr viel Patriotismus erwartet, aber er war nicht vorbereitet auf Erfindungen, Theorien, Weltsysteme und Menschen, die von ihm die Erlösung aus geistigen Kerkern verlangten. Sie belagerten sein Palais, priesen die Parallelaktion als eine Möglichkeit, der Wahrheit endlich zum Durchbruch zu verhelfen, und Graf Leinsdorf wußte nicht, was er mit ihnen beginnen solle. Im Bewußtsein seiner gesellschaftlichen Stellung konnte er sich doch nicht mit allen diesen Leuten an einen Tisch setzen, als ein von gespannter Moralität erfüllter Geist wollte er sich ihnen aber auch nicht entziehen, und da seine Bildung politisch und philosophisch, aber durchaus nicht naturwissenschaftlich und technologisch war, wurde er in keiner Weise klug daraus, ob an diesen Vorschlägen etwas daran sei oder nicht.
    In dieser Lage sehnte er sich immer heftiger nach Ulrich, der ihm gerade als der Mann empfohlen worden war, den er gebraucht hätte, denn sein Sekretär oder überhaupt jeder gewöhnliche Sekretär war solchen Anforderungen natürlich nicht gewachsen. Er betete sogar einmal, als er sich sehr über seinen Angestellten geärgert hatte, zu Gott – obgleich er sich am nächsten Tag dessen schämte –, daß Ulrich doch endlich zu ihm kommen möge. Und als dies nicht geschah, machte sich Se. Erlaucht systematisch selbst auf die Suche. Er ließ im Adreßbuch nachschlagen, aber Ulrich war darin noch nicht enthalten. Er begab sich sodann zu seiner Freundin Diotima, die gewöhnlich Rat wußte, und tatsächlich hatte die Bewundernswerte Ulrich auch schon gesprochen, aber sie hatte vergessen, sich seine Wohnung angeben zu lassen, oder schützte das vor, denn sie wollte die Gelegenheit benützen, um Sr. Erlaucht einen neuen und viel besseren Vorschlag für die Sekretärstelle der großen Aktion zu unterbreiten. Aber Graf Leinsdorf war sehr aufgeregt und erklärte auf das bestimmteste, daß er sich an Ulrich bereits gewöhnt habe, einen Preußen nicht brauchen könne, auch einen

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