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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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paßt; wenn man sich jedoch in seiner Lebensgondel dreitausend Meter hoch befindet, so steigt man nicht einfach aus, auch wenn man nicht mit allem einverstanden sein sollte. Und da man in diesen Kreisen wirklich loyal ist und, in Gegensatz zum vorhin erwähnten bürgerlichen Lebensgedränge, nicht gerne anders handeln will, als man denkt, so muß man sich in vielen Fällen damit begnügen, nicht allzu eingehend über eine Sache nachzudenken. Der Gouverneur v. Meier-Ballot wurde darum in seinem günstigen Eindruck von der Sache durch die Ausführungen der beiden Herrn noch bestärkt; und wenn er auch für seine Person und durch seinen Beruf zu einer gewissen Vorsicht neigte, so reichte das Gehörte doch zu der Entscheidung hin, daß man es mit einer Angelegenheit zu tun habe, deren weiterer Entwicklung man – sowohl jedenfalls wie abwartend – beiwohnen werde.
    Indes bestand die Parallelaktion eigentlich damals noch gar nicht, und worin sie bestehen werde, wußte selbst Graf Leinsdorf noch nicht. Wie sich mit Sicherheit sagen läßt, war das einzig Bestimmte, was ihm bis zu jenem Zeitpunkt eingefallen war, eine Reihe von Namen.
    Aber auch das ist ungemein viel. Denn so bestand in diesem Zeitpunkt, ohne daß irgend jemand eine sachliche Vorstellung zu haben brauchte, schon ein Netz von Bereitschaft, das einen großen Zusammenhang umspannte; und man darf wohl behaupten, daß dies die richtige Reihenfolge ist. Denn erst mußten Messer und Gabel erfunden werden, und dann lernte die Menschheit anständig essen; so erklärte es Graf Leinsdorf.

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Ein Publizist bereitet Graf Leinsdorf durch die Erfindung »österreichisches Jahr« große Unannehmlichkeiten; Se. Erlaucht verlangt heftig nach Ulrich
    GRAF LEINSDORF hatte zwar nach vielen Seiten Aufforderungen verschickt, die »den Gedanken erwecken« sollten, aber er wäre vielleicht doch nicht so schnell vorwärtsgekommen, wenn nicht ein einflußreicher Publizist, der in Erfahrung gebracht hatte, es liege etwas in der Luft, rasch in seinem Blatt zwei große Aufsätze veröffentlicht hätte, in denen er als seine Anregung alles das aussprach, was seiner Vermutung nach im Werden war. Er wußte nicht viel – denn wo hätte er es erfahren sollen? – aber man merkte es nicht, ja gerade das gab seinen beiden Aufsätzen erst die Möglichkeit hinreißender Wirkung. Er war eigentlich der Erfinder der Vorstellung »Österreichisches Jahr«, über die er seine Spalten schrieb, ohne selbst sagen zu können, was damit gemeint war, aber in immer neuen Sätzen, so daß dieses Wort wie in einem Traum sich mit anderen Worten verband und wandelte und eine ungeheure Begeisterung auslöste. Graf Leinsdorf war anfangs entsetzt, aber mit Unrecht. Man kann an dem Wort Österreichisches Jahr ermessen, was ein publizistisches Genie bedeutet, denn dieses Wort hatte der rechte Instinkt erfunden. Es ließ Regungen ertönen, die bei der Vorstellung eines österreichischen Jahrhunderts stumm geblieben wären, während die Aufforderung, ein solches herbeizuführen, bei vernünftigen Menschen sogar für einen Einfall gegolten haben würde, den niemand ernst nimmt. Warum das so ist, es wäre schwer zu sagen. Vielleicht beflügelte eine gewisse Ungenauigkeit und Gleichnishaftigkeit, bei der man weniger an die Wirklichkeit denkt als sonst, nicht nur das Gefühl des Grafen Leinsdorf. Denn Ungenauigkeit hat eine erhebende und vergrößernde Kraft.
    Es scheint, daß der brave, praktische Wirklichkeitsmensch die Wirklichkeit nirgends restlos liebt und ernst nimmt. Als Kind kriecht er unter den Tisch, um das Zimmer der Eltern, wenn sie nicht zu Hause sind, durch diesen genial einfachen Trick abenteuerlich zu machen; er sehnt sich als Knabe nach der Uhr; als Jüngling mit der goldenen Uhr nach der zu ihr passenden Frau; als Mann mit Uhr und Frau nach der gehobenen Stellung; und wenn er glücklich diesen kleinen Kreis von Wünschen zustande gebracht hat und ruhig darin hin und her schwingt wie ein Pendel, scheint sich dennoch sein Vorrat unbefriedigter Träume um nichts verringert zu haben. Denn wenn er sich erheben will, so gebraucht er dann ein Gleichnis. Offenbar weil ihm Schnee zuweilen unangenehm ist, vergleicht er ihn mit schimmernden Frauenbrüsten, und sobald ihn die Brüste seiner Frau zu langweilen beginnen, vergleicht er sie mit schimmerndem Schnee; er wäre entsetzt, wenn ihre Schnäbel sich eines Tags als hornige Taubenschnäbel herausstellen würden oder als eingesetzte Korallen, aber poetisch

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