Der Mann zweier Welten
während sie ihn bewachten.
Der Dicke begann an den Erfrischungshebeln neben seinem Sessel zu spielen.
»Bediene dich«, sagte Ketan.
Ein Tablett wurde ausgefahren, und der Wachmann aß und trank. Als er seinem Kollegen etwas anbieten wollte, winkte der nur ärgerlich ab.
Ketan ging direkt an seinen Schreibtisch, stellte seine Feder auf Dauerbenutzung ein und begann fieberhaft zu arbeiten. Als er endlich fertig war, glänzten seine Augen vor Erregung.
»Bringt das sofort zum Rat!« befahl er.
Die beiden sahen das Blatt an. Der größere der Wachleute schüttelte den Kopf. »Ich würde es nicht wagen – das Risiko lohnt sich nicht.«
Der Dicke setzte sein Glas ab und sah ihn scharf an. »Weshalb forderst du den Rat so heraus? Wenn du nichts unternimmst, wird man dir lediglich verbieten, die Untersuchungen auf den strittigen Gebieten weiterzuführen. So aber zwingst du sie, dich zu degradieren.«
»Ich habe das Recht auf ein vollständiges Verhör«, sagte Ketan. »Bringt die Botschaft zum Rat!«
Der Dicke nahm einen letzten Schluck und ging zum Wagen hinaus. Er war der Ranghöhere und hatte die Pflicht, den Rat zu verständigen. Aber er verließ das warme Haus nur ungern.
»Du warst nicht immer ein Wachmann?« Ketan setzte sich und sah den zweiten Bewacher an. Der Mann lächelte wehmütig.
»Nein. Darf ich wie zu einem Gleichen sprechen?«
»Natürlich.«
»Ich heiße Varano. Ich schlug vor, daß wir die Geschöpfe aus Nachtland züchten sollten, um sie zu verspeisen. Igon und andere mußten sie essen, als sie drüben waren. Ich wurde wegen meiner Barbarei degradiert.«
»Ach, du warst das. Ich erinnere mich an die Sache.« Ketan lächelte und deutete auf die Hebel. »Drück zweimal auf den blauen und zieh dann den roten heraus.«
Varano gehorchte verwundert. Und dann blieb sein Mund offen. Vor ihm auf dem Tablett war ein rauchendes Stück Bratenfleisch.
Er sprang auf und sah sich ängstlich um. »Versteck das!« rief er. »Man würde dich sofort degradieren.«
»Du bist der einzige, der mich verraten könnte. Koste es.«
Langsam aß der Wachmann. »Was willst du von mir?«
»Nichts. Ich dachte nur, du möchtest vielleicht etwas Herzhafteres als dein fetter Freund.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Du bist seltsam, Ketan. Ich wollte, wir hätten uns schon früher getroffen. Aber jetzt nützt es nichts mehr. Wenn die zweite Sonne aufgeht, wird man dich degradieren. Kronweld muß sich vor Suchern deiner Art schützen.«
»Und was ist deine Meinung?«
Varano zuckte mit den Schultern. »Ich habe meine ehrgeizigen Pläne aufgegeben. Die Erste Gruppe bestimmt richtig. Ich bin da, wo ich hingehöre.«
Ketan schüttelte den Kopf. »Ich kenne eure Sorte. Man hat euch so behandelt, daß nichts mehr von euren Träumen übriggeblieben ist. Ihr tut das, was euch ein paar alte Männer und Weiber befehlen.«
Varano war rot geworden. »Du vergißt, weshalb ich hier bin.«
»Tut mir leid.« Ketan stand auf. »Du brauchst dich nicht gleich zu erregen.« Er zögerte. »Komm mit, dann zeige ich dir etwas.«
Varano folgte Ketan widerstrebend. Sie gingen durch einen Korridor, bis sie an eine steil nach unten führende Treppe kamen. Die Stufen schienen endlos.
Aber schließlich hatten sie doch das Ende der Treppe erreicht. Ketan pfiff eine Melodie vor sich hin, und eine Tür glitt zur Seite. Von irgendwo weiter hinten kam ein Knurren, das Varano die Haare zu Berge stehen ließ. Ein scharfer Geruch drang in seine Nase.
»Daher kommt unser Fleisch.«
Die Tür schloß sich geräuschlos hinter ihnen. Sie befanden sich in einem großen Raum, der mit den Instrumenten eines Suchers ausgestattet war. Aber man sah auch völlig unbekannte Geräte. Varano seufzte. Er war lange nicht mehr in einem Sucher-Labor gewesen.
Sie gingen weiter und kamen in einen verdunkelten Korridor. Der Geruch wurde immer stärker.
»Sie können nicht viel Licht ertragen«, erklärte Ketan. Noch während er sprach, blieben sie vor einem Gitter stehen. Ketan knipste eine schwache Lampe an.
»Bors!« flüsterte der Wachmann entsetzt.
Ein großes, zottiges Tier kam mit gesenktem Kopf und boshaft glitzernden Äuglein auf sie zu. Die beiden Hörner stießen drohend vor.
Varano trat ängstlich zurück. »Wie hast du sie hierhertransportiert? Ich habe es vor langer Zeit selbst versucht. Aber das Verbot …«
»Das Verbot kann man leicht umgehen, wenn man sich etwas einfallen läßt«, meinte Ketan. »Aber deshalb nahm ich dich nicht mit. Sieh
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