Der Mann zweier Welten
…«
»Wir finden den Weg zurück. Du weißt, was auf der anderen Seite ist, aber ich nicht. Für mich wird es die Erfüllung meiner Träume sein. Und ich werde dir beweisen, daß du keine Angst zu haben brauchst. Tu, was ich sage, Elta!«
»Gut. Ich weiß, daß es falsch ist, aber ich liebe dich.«
*
Die Geburtskammer erinnerte an ein Grab, als das Urteil gefällt wurde. Er stand wartend vor dem schwarzen Rand.
Hinter ihm befanden sich die weißgekleideten Tempeldienerinnen wie Rachegöttinnen.
Er warf keinen Blick auf die Wacherinnen, um Elta nicht zu gefährden. Aber er fragte sich, wie sie es geschafft hatte zu fliehen.
Hinter ihm standen nun zwei stämmige Dienerinnen mit langen, stoffumkleideten Pfählen. Und noch weiter hinten wartete Anetel mit der tödlichen Waffe in der Hand.
Und dann kamen die violetten Strahlen in die Nische. Eine der Dienerinnen stieß einen leisen Schrei aus. Ketan warf einen Blick auf den Platz, wo Elta die Waffe hatte hinlegen wollen.
Er sah nichts.
Das Violett ging in Rot über. Dann flammte es weiß und blau. Er zögerte. Die Pfähle schoben ihn vorwärts. Ein Blick in die Gesichter der Wacherinnen. Keine von beiden war Elta.
Aber jetzt konnte er nicht überlegen. Er jagte durch einen Flammenkanal. Tausende von Gesichtern starrten ihm entgegen.
Und sie wichen vor den gleißenden Flammen zurück.
Er war allein. Ganz allein im Universum. Die Flammen waren verlöscht. Er schwebte in einer Leere, die er nicht fassen konnte.
Und dann war die Vision wieder da. Seine Füße schleppten sich durch den Sand und sanken immer tiefer ein. In der Mitte der Wüste erhob sich eine Felsnadel. Die Rettung. Er mußte sie erreichen. Sein Leben hing davon ab. Das Leben Kronwelds. Er mußte die Felsnadel erreichen.
15
Das Erwachen war wie eine Geburt, wie jene andere Geburt, als er zum erstenmal vor die Türen des Tempels getreten war. Wie damals blendete die Sonne ihn, und die physische Nähe der Umwelt durchdrang ihn wie mit tausend Speeren.
Er schloß die Augen vor dem blauen Himmel und der Sonne, die hoch oben stand. Aber das Flüstern des Windes war wie Donner in seinen Ohren.
Und noch ein Geräusch drang an seine Ohren. Das Rauschen von Wasser. Einmal in Nachtland hatte er es gehört. Er stützte sich langsam auf und öffnete die Augen. Seine Gedanken waren wieder in der Geburtskammer. Bei Elta.
Sie wollte mit ihm kommen. Aber sie war nicht an der vereinbarten Stelle gewesen. Man hatte sie gefangen und vielleicht getötet. Jetzt gab es keinen Weg mehr zurück. Keinen Weg zu Elta.
Er setzte sich auf und sah sich um. Er befand sich in einem Wald. Er sah keine Häuser oder Höhlen. Er sah nicht mehr die bittenden Gesichter. Er sah weder den Großen Rand noch die Felsnadel.
Noch nie hatte er einen solchen Wald gesehen. Bäume gab es auch in Nachtland, aber unter dem kalten, rauchverhangenen Himmel waren sie armselige, schwache Dinger. Die Säulen, die hier in den blauen Himmel ragten, waren schwindelerregend.
Er überlegte, wo er sein konnte. Er stand auf und ging, um seine Angst und Unsicherheit loszuwerden. Er stieg einen Hang hinunter, und das Geräusch des Wassers wurde lauter. Dann konnte er den Strom sehen. Er war begeistert. So etwas Schönes gab es in Kronweld nicht. Dort kam das Wasser aus dampfenden Teichen und mußte erst künstlich gekühlt werden.
Er beugte sich hinunter und trank. Dann suchte er sich einen Weg entlang des Ufers. Allmählich wurde er hungrig. Er hatte keine Ahnung, ob es hier Tiere wie die Bors gab, aber das war auch unwichtig, weil er keine Waffe besaß.
Nach einiger Zeit wich der Wald zurück, und sandige Uferstreifen säumten den Fluß. Plötzlich stiegen steil vor ihm Felsen auf.
Der Himmel wurde dunkler, während er ziellos weiterschlenderte. Und dann drang ein Laut an seine Ohren. Er blieb stehen und horchte. Es war ein Wimmern, das in einen schrillen Aufschrei überging. Er dachte an den Platz der Sterbenden, wo man manchmal solche Geräusche hören konnte, und ging schnell weiter.
Und dann raschelte etwas hinter ihm. Er drehte sich um. Ein Geschöpf mit halb irrem Blick sprang auf ihn los. Dann schloß sich ein Arm um seine Kehle. Er bekam keine Luft mehr. Ihm wurde schwarz vor den Augen.
Ketan wußte nicht, wie lange er auf dem Sand gelegen hatte. Nach einiger Zeit kam ihm das Rauschen des Flusses wieder zu Bewußtsein. Er setzte sich auf.
Der Mann, der ihn angegriffen hatte, saß vor ihm und sah ihn staunend an. Erst
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