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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Brorsen
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gekommen? Hat Johann, der Vater, ihn geschickt? Wohl kaum. Denn Helfer sind, aufgeschreckt durch das Sturmgeläut der Kirchenglocken, längst herbeigeeilt mit Ziehwagen, Schubkarren, kleinen Gespannen, mit Spaten, Schaufeln, Feuerpatschen, Eimern. Nein, der Junge stürzte nicht zu seinem Haus, um Hilfe zu holen. Er muss sich im letzten Moment aus dem brennenden Chaos gerettet haben und in Panik davongerannt sein.
    Zwanzig mögen es sein, die nun auf dem Hof in kopflosem Durcheinander versuchen, die heulenden Flammen zu löschen. In fieberhafter Hast schleppen sie Wasser aus dem Hofbrunnen und einem kleinen Teich zu dem bis jetzt vom Feuer verschonten hinteren Hausteil, zur Groot-Deel und den glücklicherweise leeren Rinder- und Pferdeställen, um von dort in den Wohnteil vorzudringen. Sie kommen nicht weit. Qualm nimmt ihnen den Atem, krachendes Gebälk droht sie zu erschlagen. Doch wie in der Seefahrt gilt auch hier eine tief verwurzelte, unumstößliche Solidarität mit Freund und Feind, wenn die Elemente einen Hof zu vernichten drohen.
    In einer Hofecke nahe dem Wagenschauer stehen Frauen und einige Kinder und starren ratlos in die alles verschlingende Flammenglut. Jakob Schwarzkopf eilt so schnell er kann auf sie zu: „Jehann. Wo is Jehann? Un de Annern? Sien Froo, de Jungs?“
    Die Frauen antworten nicht, schauen verlegen zur Seite. Nils Hauschildt, ein Jungbauer aus der Nachbarschaft und enger Freund der Thode-Brüder, kommt vom Ziehbrunnen mit zwei Wassereimern. Jakob stellt sich ihm in den Weg. Packt ihn am Arm. „Nils! Wo sünd se? Jehann, de Froo, de Jungs?“
    Nils stellt die Eimer ab, fährt mit dem rechten Unterarm über die schweißnasse Stirn. „Ik weet dat nich, Joggob, ik weet dat nich.“ Er schaut in das fassungslose Gesicht des Älteren. Dann zum Vorderteil des Hauses: „Se mööt dor ween. Dor binnen.“
    Jakob Schwarzkopf hat das Gefühl, eine Eisenfaust drücke ihm die Kehle zu. Der Gehstock fällt ihm aus der Hand. Mit beiden Händen greift er dem Jungbauern ans Revers: „Wat seggst du? Dor binnen? Büst du narrsch?“
    Langsam, aber bestimmt löst Nils die Hände des Verzweifelten von seiner Jacke. „Ik weer een vun de Eersten hier. Heff toeerst dacht, se sünd in’t Dörp loopen. Hölp hol’n. Awers all tohoop? Jehann harr een vun de Jungs schickt orrer de Fruunslüüd. Niemols weer he sülm vun sien Hoff gahn.“
    Er legt Jakob Schwarzkopf die schwielige Hand auf die Schulter. „Ik heff fragt. Jeden, de ankeem. Un keeneen hett se sehn.“ Sein wettergegerbtes Gesicht wird hart und düster. „Se sünd doot, Joggob. All tosamen.“
    Nils Hauschildt wendet sich ab. Bückt sich nach den Eimern und geht. Soll Jakob, der Ältere, nicht sehen, dass er weint?
    10
    In Scharen strömen die Menschen zum Hof des Johann Thode. Nachbarn aus Groß Campen, Handwerker und Händler aus Beidenfleth, Frauen, Halbwüchsige, Kinder. Die Kunde vom Brand des Marschhofes hat nicht nur Helfer aus den Betten getrieben. Aus Wewelsfleth und Hodorf hasten Neugierige am Deich entlang, den Feuerschein vor Augen. Aus Wilster kommen sie, zu Fuß, auf Fahrrädern, manche in ein- oder zweispännigen Kutschen.
    In Bahrenfleth, dem durch den Fluss getrennten Nachbarort Beidenfleths, staut sich eine ungeduldige Menge am Fähranleger, gebannt vom Flammenmeer auf dem nur wenige hundert Meter entfernten Thode-Hof am anderen Ufer. Der Fährmann hat alle Hände voll zu tun, die Leute aus der Kremper Marsch hinüberzurudern.
    Wie auf einem Ameisenhaufen geht es zu auf dem Hof. Den verbissen rackernden Helfern ist es gelungen, den hinteren Teil des kombinierten Wohn- und Stallgebäudes teilweise zu erhalten. Einige haben Bewässerungsschläuche zur Stör gelegt und bekämpfen mit Handpumpen das Feuer im Wohnteil, in dem immer wieder Brandnester aufflackern und Balken herunterkrachen.
    Bei aller Hektik herrscht im Gedränge eine nur ab und an durch Zurufe der Helfer unterbrochene, atemlose Stille. Nur flüsternd und stockend geht von Mund zu Mund, dass sich keiner der auf dem Hof Lebenden vor dem Feuer retten konnte. Das verschlägt auch denen, die von Neugier und Sensationslust getrieben herbeigeeilt sind, die Sprache.
    Jakob Schwarzkopf steht wie betäubt inmitten der Menge, unfähig, sich vom Fleck zu rühren. Längst hat er es aufgegeben, nach den Thodes zu suchen oder zu fragen. Mehr als jede Auskunft verrät ihm das betroffene Schweigen, dass sich hier eine Tragödie von erschütterndem Ausmaß ereignet hat.
    Aus ihm

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