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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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fast bis zum Mond empor. Die Insel verschwand, der Fluß verschwand, Margarita raste gen Moskau.
22 Im Kerzenlicht
    Das gleichmäßige Brummen des Wagens hoch über der Erde schläferte Margarita ein, und das Mondlicht wärmte angenehm. Sie schloß die Augen, bot ihr Gesicht dem Wind und dachte wehmütig an das unbekannte Flußufer, das sie wohl niemals wiedersehen würde. Nach all den Wundern und ZaÜbereien des heutigen Abends ahnte sie bereits, zu wem man sie brachte, doch es schreckte sie nicht. Die Hoffnung, dort ihr Glück wiederzufinden, machte sie furchtlos. Im übrigen konnte sie im Wagen nicht lange von ihrem Glück träumen. Ob die Krähe ihr Handwerk gut beherrschte oder ob der Wagen gut war, jedenfalls sah Margarita, als sie bald nach dem Abflug die Augen öffnete, schon nicht mehr die Waldesfinsternis unter sich, sondern das flimmernde Lichtermeer von Moskau. Der schwarze Schof-forvogel schraubte im Flug das rechte Vorderrad ab, dann landete der Wagen auf einem menschenleeren Friedhof im Stadtbezirk Dorogomilowo. Die Krähe ließ Margarita, die keinerlei Fragen stellte, mitsamt ihrem Besen neben einem Grab aussteigen, dann startete sie abermals den Wagen und lenkte ihn gradewegs in eine Schlucht hinterm Friedhof. Polternd stürzte das Fahrzeug hinab und zerschellte. Die Krähe legte respektvoll die Hand an den Mützenschirm, setzte sich aufs abgeschraubte Rad und flog davon.
    Alsbald erschien hinter einem Grabdenkmal ein schwarzer Umhang. Ein Eckzahn glänzte im Mondlicht, Margarita erkannte Asasello. Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr, den Besen zu besteigen, er selbst sprang auf ein langes Rapier, beide flogen los und landeten nach wenigen Sekunden unbemerkt vor dem Haus Sadowaja Nr. 302 b.
    Als die beiden, Besen und Rapier unterm Arm, in den Torweg traten, erblickte Margarita einen Mann mit Schiebermütze und hohen Stiefeln, der auf jemand zu warten schien. So leicht auch Asasellos und Margaritas Schritte waren, der einsame Mann hörte sie doch, zuckte unruhig zusammen und begriff nicht, wo sie herkamen.
    Ein zweiter Mann, der dem ersten erstaunlich ähnelte, stand vor der Tür des sechsten Aufgangs. Die Geschichte wiederholte sich. Schritte ... Der Mann drehte sich unruhig um und verkniff das Gesicht. Als dann noch die Tür aufging und sich wieder schloß, stürzte er hinter den unsichtbar Eingetretenen her und blickte ins Treppenhaus, sah aber natürlich nichts. Der dritte, eine genaue Kopie des zweiten und mithin auch des ersten, wachte im zweiten Stock auf dem Treppenabsatz. Er rauchte eine starke Zigarette, und als Margarita an ihm vorbeiging, mußte sie husten. Der Raucher, wie von der Tarantel gestochen, sprang von der Bank, auf der er saß, sah sich nervös um, trat ans Geländer und blickte hinunter. Aber Margarita und ihr Begleiter standen schon vor der Tür der Wohnung Nr. 50. Sie läuteten nicht, Asasello öffnete sie geräuschlos mit seinem Schlüssel.
    Das erste, was Margarita wunderte, war die Finsternis, in die sie trat, eine Finsternis wie tief unter der Erde, so daß sie sich, um nicht zu straucheln, unwillkürlich an Asasellos Umhang festhielt. Aber schon flammte hoch oben das Licht eines Lämp-chens auf und kam näher. Asasello nahm im Gehen Margarita den Besen ab, der lautlos im Dunkel verschwand. Sie stiegen breite Stufen hinauf, die kein Ende zu nehmen schienen. Margarita war verblüfft, daß in der Diele einer normalen Moskauer Wohnung so eine unsichtbare, aber gut fühlbare endlose Treppe Platz hatte. Dann war die Treppe zu Ende, und Margarita stand auf einem Podest. Das Licht kam dicht heran, und Margarita erblickte das beleuchtete Gesicht des großen schwarzen Mannes, der das Lämpchen in der Hand hielt. Wer in den letzten Tagen das Pech gehabt hatte, ihm über den Weg zu laufen, hätte ihn selbst beim schwachen Licht des Lämpchens sofort erkannt. Es war Korowjew alias Fagott. Sein Aussehen freilich hatte sich sehr verändert. Das flackernde Lichtlein spiegelte sich nicht im gesprungenen Zwicker, den er längst hätte in den Abhub werfen sollen, sondern in einem Monokel, das allerdings auch einen Sprung hatte. Das Schnurrbärtchen im frechen Gesicht war hochgewichst, und schwarz sah er aus, weil er einen Frack trug. Weiß war nur seine Brust.
    Der Magier, Kantor, ZaÜberer, Dolmetscher oder weiß der Teufel was er eigentlich war, kurzum, Korowjew verbeugte sich, wobei er das Lämpchen durch die Luft schwenkte, und bat Margarita, ihm zu folgen. Asasello

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