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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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sind ständig auf Reisen und befinden uns gegenwärtig in Moskau. Hunderteinundzwanzig Margaritas haben wir hier ermittelt, und glaubt mir" — Korowjew schlug sich verzweifelt aufs Knie —, "nicht eine ist geeignet! Endlich führte uns ein glückliches Schicksal.. ."
    Korowjew schmunzelte ausdrucksvoll und verbeugte sich, und wieder wurde es Margarita kalt ums Herz.
    "Kürzer!" schrie Korowjew. "Ganz kurz: Wollt Ihr diese Pflicht übernehmen?"
    "Ich will!" antwortete Margarita fest.
    "Abgemacht", sagte Korowjew, hob das Lämpchen und fügte hinzu: "Ich bitte, mir zu folgen."
    Sie gingen zwischen Säulen hindurch und gelangten in einen anderen Saal, wo es stark nach Zitronen roch; man hörte ein Rascheln, etwas streifte Margaritas Kopf. Sie zuckte zusammen. "Erschreckt nicht", beruhigte Korowjew sie freundlich und nahm sie beim Arm, "das sind die Ballattraktionen von Behe-moth, nichts weiter. Überhaupt möchte ich mir die Kühnheit herausnehmen und Ihnen raten, niemals und vor nichts Angst zu haben, Margarita Nikolajewna. Das wäre unvernünftig. Es wird ein prunkvoller Ball werden, das will ich Ihnen nicht verhehlen. Wir werden Personen sehen, die seinerzeit eine außergewöhnliche Machtfülle besaßen. Wenn man freilich daran denkt, wie mikroskopisch klein ihre Möglichkeiten sind im Vergleich zu den Möglichkeiten desjenigen, dessen Suite anzugehören ich die Ehre habe, dann wird einem komisch und, ich will mal sagen, traurig zumute. Dabei sind Sie selbst von königlichem Blut."
    "Warum von königlichem Blut?" flüsterte Margarita erschrok-ken und schmiegte sich an Korowjew.
    "Ach, Königin", schwatzte Korowjew kokett, "die Fragen des Blutes sind die kompliziertesten Fragen der Welt! Befragte man ein paar Urgroßmütter, namentlich solche, die im Ruf der Demut standen, so würden erstaunliche Geheimnisse zutage kommen, verehrte Margarita Nikolajewna! Ich versündige mich keineswegs, wenn ich bei dieser Gelegenheit ein kunstvoll gemischtes Kartenspiel erwähne. Es gibt Dinge, bei denen nicht nur Standesschranken, sondern selbst Staatsgrenzen völlig bedeutungslos werden. Ich will mal andeuten: Eine französische Königin, die im sechzehnten Jahrhundert lebte, wäre wohl sehr verblüfft gewesen, wenn ihr jemand gesagt hätte, daß nach vielen Jahren ich ihre Ururururenkelin am Arm durch Moskauer Ballsäle führen würde. Aber wir haben's geschafft!"
    Korowjew blies das Lämpchen aus, es verschwand aus seinen Händen, und Margarita erblickte vor sich auf dem Fußboden einen Lichtstreifen unter einer dunklen Tür. An diese Tür pochte Korowjew. Margarita war so aufgeregt, daß ihr die Zähne klapperten und ein Frösteln über den Rücken kroch. Die Tür ging auf. Sie führte in ein kleines Zimmer. Margarita erblickte ein breites Eichenbett mit zerknautschten schmuddligen Laken und Kissen. Vor dem Bett stand ein Eichentisch mit geschnitzten Beinen, auf dem in einem Kandelaber mit sieben Kerzenhaltern in Form von goldenen Vogelkrallen dicke Wachskerzen brannten. Außerdem lag auf dem Tisch ein großes Schachbrett mit sehr künstvoll gearbeiteten Figuren. Auf einem kleinen abgewetzten Teppich stand ein niedriges Bänkchen. Außerdem gab es noch einen Tisch mit einer goldenen Schale und einem anderen Kandelaber, dessen Arme die Form von Schlangen hatten. Im Zimmer roch es nach Schwefel und Pech. Die Schatten der Leuchter kreuzten sich auf dem Fußboden. Unter den Anwesenden erkannte Margarita Asasello, der, nunmehr befrackt, am Kopfende des Bettes stand. So herausgeputzt, hatte er keine Ähnlichkeit mehr mit dem Verbrecher, als den ihn Margarita im Alexandrowski-Garten kennengelernt hatte. Er machte ihr eine äußerst galante Verbeugung. Eine nackte Hexe, jene Gella, die den ehrenwerten Kantinenwirt derart in Verlegenheit gebracht hatte, und — o weh — dieselbe, die zum Glück in der Nacht nach der berühmten Vorstellung vom Hahn verjagt worden war, saß auf einem kleinen Teppich vor dem Bett und rührte in einer Kasserolle, von der Schwefeldampf aufstieg.
    Außerdem hielt sich im Zimmer ein riesiges schwarzes Katervieh auf; es saß auf einem hohen Hocker vor dem Schachtisch und hielt einen Springer in der rechten Pfote. Gella stand auf und verneigte sich vo? Margarita. Das gleiche tat der Kater, der vom Hocker sprang. Er vollführte mit der rechten Hinterpfote einen Kratzfuß, verlor dabei den Springer und kroch unters Bett, um ihn zu suchen.
    All das nahm die vor Angst vergehende Margarita im trügerischen

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