Der Meister und Margarita
verschwand, und was blieb, war ein leidendes Frauenantlitz. Da öffnete Asasello ihre weißen Zähne und goß ihr ein paar Tropfen desselben Weins in den Mund, mit dem er sie vergiftet hatte. Margarita holte tief Luft, richtete sich ohne seine Hilfe auf und fragte schwach:
"Warum, Asasello, warum? Was haben Sie mit mir gemacht?" Sie sah den Meister liegen, zuckte zusammen und flüsterte: "Das hätte ich nicht gedacht... Mörder!"
"Aber nicht doch, nicht doch", antwortete Asasello, "er, wird gleich aufstehen. Ach, warum sind Sie bloß so nervös!" Margarita glaubte ihm sofort, so überzeugend sprach der rothaarige Dämon. Sie sprang auf, kräftig und lebendig, und half, dem Liegenden Wein einzuflößen. Er öffnete die Augen, blickte finster und voller Haß und wiederholte sein letztes Wort: "Giftmischer ..."
"Ach, der Lohn für gute Arbeit ist zumeist eine Beleidigung!" antwortete Asasello. "Sind Sie blind? Werden Sie doch mal wieder sehend!"
Der Meister stand auf, blickte mit lebendigen und hellen Augen um sich und fragte:
"Was bedeutet dieses Neue?"
"Es bedeutet, daß für uns höchste Zeit ist", antwortete Asasello. "Schon donnert's, hören Sie? Es wird dunkel. Die Pferde scharren die Erde auf, der kleine Garten erbebt. Schnell, nehmt Abschied."
"Ah, ich verstehe", sagte der Meister und sah sich um, "Sie haben uns umgebracht, wir sind tot. Ach, klug ist das! Und genau zur rechten Zeit! Jetzt habe ich alles verstanden." -"Ach, ich bitte Sie", antwortete Asasello, "was muß ich da von Ihnen hören? Ihre Freundin nennt Sie den Meister, Sie denken doch, wie können Sie also tot sein? Muß man, um sich für lebendig zu halten, unbedingt in einem Keller sitzen, mit Hemd und Krankenhausunterhosen bekleidet? Das ist doch lächerlich!" "Ich habe alles verstanden, was Sie gesagt haben", schrie der Meister, "sagen Sie nichts mehr! Sie haben tausendmal recht!" "Großer Voland!" fiel Margarita ein. "Großer Voland! Er hat alles viel besser geregelt, als ich gedacht habe! Aber der Roman, der Roman", schrie sie dem Meister zu, "nimm den Roman mit, wohin du auch fliegst!"
"Nicht nötig", antwortete der Meister, "ich weiß ihn auswendig." "Aber wirst du auch kein Wort, kein Wort von ihm vergessen?" fragte Margarita, schmiegte sich an den Geliebten und wischte ihm das Blut von der Schläfe.
"Keine Sorge. Ich werde von nun an nie wieder etwas vergessen", antwortete er.
"Dann also Feuer!" schrie Asasello. "Feuer, mit dem alles begann und mit dem wir alles zu beenden pflegen." "Feuer!" schrie Margarita mit furchtbarer Stimme. Das kleine Fenster sprang krachend auf, der Wind drückte den Vorhang zur Seite. Vöhl Himmel kam ein kurzer lustiger Donnerschlag. Asasello schob die Hand mit den Krallen ins Öfchen, holte ein qualmendes Scheit heraus und setzte das Tischtuch in Brand. Sodann entzündete er einen Packen alter Zeitungen auf dem Sofa, das Manuskript und den Vorhang.
Der Meister, berauscht vom Gedanken an den bevorstehenden Ritt, nahm ein Buch aus dem Regal, schüttelte die Seiten locker und hielt es übers brennende Tischtuch, und es flammte lustig auf.
"Verbrenne, verbrenne, früheres Leben!" "Verbrenne, Kummer und Leid!" schrie Margarita. Purpurrote Feuersäulen durchlohten das Zimmer, und zusammen mit dem Qualm entwichen die drei durch die Tür, stiegen die Steintreppe hinauf und traten auf den kleinen Hof. Das erste, was sie hier erblickten, war die Köchin ihres Mietsherrn, die auf der Erde hockte. Rings um sie lagen verschüttete Kartoffeln und ein paar Bunde Zwiebeln. Der verstörte Zustand der Köchin war begreiflich. Beim Schuppen standen schnaubend drei schwarze Pferde, zuckten und wühlten die Erde auf.
Margarita sprang auf das erste, Asasello auf das zweite und auf das letzte der Meister. Die Köchin stöhnte und wollte die Hand heben, um das Kreuz zu schlagen, doch Asasello schrie drohend aus dem Sattel:
"Ich schneid dir die Hand ab!"
Er stieß einen Pfiff aus, die Pferde rasten, Lindenzweige abfetzend, aufwärts und stießen in die niedrige schwarze Gewitterwolke. Aus dem Kellerfenster schlug Rauch. Von tief unten hörten die drei den schwachen Jammerruf der Köchin: "Es brennt..."
Die Pferde rasten bereits über die Dächer von Moskau. "Ich möchte Abschied nehmen von der Stadt!" schrie der Meister Asasello zu, der voransprengte. Der Donner verschlang seine letzten Worte. Asasello nickte und setzte sein Pferd in Galopp.
Den Reitern entgegen flog die Gewitterwolke, aus der aber noch kein Regen
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