Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
Chaos klarzusehen. Auf dem Teppich lagen Manuskripte, auf dem Sofa ebenfalls. Auf dem Sessel spreizte sich ein Buch mit dem Rücken nach oben. Auf dem runden Tisch war ein Mittagessen aufgetragen, und zwischen den Vorspeisen standen ein paar Flaschen. Wo die Speisen und Getränke herkamen, wußten Margarita und der Meister nicht. Sie hatten sie nach dem Erwachen auf dem Tisch vorgefunden.
    Nachdem der Meister und seine Gefahrtin bis Samstag abend durchgeschlafen hatten, fühlten sie sich frisch, und nur eines erinnerte sie an ihre gestrigen Abenteuer — beiden schmerzte die linke Schläfe. Seelisch hatten sie sich sehr verändert, davon hätte sich jeder, der ihr Gespräch in der Kellerwohnung mit angehört hätte, überzeugen können. Aber es gab keinen Zuhörer. Es war der Vorzug des kleinen Hofes, daß er stets menschenleer war. Mit jedem Tag verströmten die grünenden Linden und die Silberweide vorm Fenster stärkeren Frühlingsduft, den die aufkommende Brise in den Keller wehte.
    "Teufel noch eins!" rief der Meister plötzlich aus. "Wenn man bedenkt, das war doch wirklich ..." Er drückte den Stummel im Aschbecher aus und preßte den Kopf in den Händen. "Höre, du bist doch eine kluge Frau und warst nie verrückt... Bist du ernsthaft überzeugt, daß wir gestern beim Satan waren?" "Felsenfest", antwortete Margarita.
    "Aber gewiß doch", sagte der Meister ironisch,,jetzt haben wir schon zwei Verrückte statt eines einzigen, Mann und Frau!" Er hob die Hand gen Himmel und schrie: "Nein, das soll der Teufel begreifen! Der Teufel, der Teufel. .."
    Statt einer Antwort warf sich Margarita aufs Sofa, lachte schallend, strampelte mit den bloßen Beinen und rief dann: "Oi, ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr! Schau doch bloß mal, wie du aussiehst!"
    Der Meister zog verschämt die Krankenhausunterhosen hoch, und Margarita wurde ernst.
    "Du hast eben unwillkürlich die Wahrheit gesagt", versetzte sie, "der Teufel begreift, was das ist, und der Teufel, glaub mir, wird alles arrangieren!" Ihre Augen funkelten plötzlich, sie sprang auf, drehte sich tanzend und schrie: "Ich bin so glücklich, ich bin so glücklich, daß ich mit ihm im Geschäft bin! O Satan, Satan! Sie werden mit einer Hexe leben müssen, mein Lieber!" Sie stürzte auf den Meister zu, umarmte ihn und küßte ihn auf die Lippen, auf die Nase, auf die Wangen. Ihre zerzausten schwarzen Haarsträhnen kitzelten den Meister, seine Wangen und seine Stirn brannten unter ihren Küssen. "Du gleichst tatsächlich einer Hexe."
    "Das leugne ich auch gar nicht", antwortete Margarita, "ich bin eine Hexe, und ich bin froh darüber."
    "Nun gut", sagte der Meister, "dann bist du eben eine Hexe, großartig, prächtig! Mich hat man ja wohl aus der Klinik entführt, sehr niedlich! Man hat mich hierher zurückgebracht, auch zugegeben. Nehmen wir sogar an, sie werden uns nicht vermissen. Aber sag mir um alles in der Welt, wo und wovon werden wir leben? Wenn ich das frage, denke ich nur an dich, das kannst du mir glauben!"
    In diesem Moment zeigten sich vor dem kleinen Fenster stumpfnasige Schuhe und der untere Teil einer gestreiften Hose. Die Hose beugte sich im Knie, und ein gewichtiges Hinterteil verbarg das Tageslicht.
    "Aloisi, bist du zu Hause?" fragte eine Stimme oberhalb der Hose.
    "Da, es geht los", sagte der Meister.
    "Aloisi?" fragte Margarita und trat ans Fenster. "Der ist gestern verhaftet worden. Wer fragt denn da nach ihm? Wie ist Ihr Name?"
    Im selben Moment verschwanden Knie und Hinterteil, man hörte die Pforte klappen, dann war alles wie zuvor. Margarita sank aufs Sofa und lachte dermaßen, daß ihr die Tränen kamen. Doch dann verstummte sie, ihr Gesicht veränderte sich, sie glitt vom Sofa, kroch zu den Knien des Meisters, blickte ihm in die Augen, streichelte ihm den Kopf und sagte ernst: "Wie hast du gelitten, wie hast du gelitten, mein Armer! Nur ich weiß das. Sieh doch, du hast graue Haare bekommen und Falten an den Mundwinkeln! Mein Einziger, mein Lieber, denk an nichts mehr! Du hast zuviel denken müssen, von jetzt an werde ich das für dich tun. Und ich versichere dir, alles wird wunderschön!" "Ich fürchte ja gar nichts, Margot", antwortete ihr plötzlich der Meister und hob den Kopf; er erschien ihr so, wie er damals war, als er etwas beschrieb, was er nie gesehen, wovon er aber sicher wußte, daß es gewesen war, "ich fürchte nichts, weil ich schon alles durchlebt habe. Sie haben mich zu sehr geängstigt, jetzt kann mich nichts mehr

Weitere Kostenlose Bücher