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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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möchte Geld einzahlen. Ich komme vom Variete." "Einen Moment", antwortete der Angestellte und ließ sofort das Gitter herunter.
    Merkwürdig! dachte der Buchhalter. Seine Verwunderung war ganz natürlich. So etwas erlebte er zum erstenmal. Jedermann weiß, wie schwer es ist, Geld zu bekommen, da finden sich immer Hindernisse. Aber daß jemand, sei es eine juristische oder eine private Person, Schwierigkeiten macht, Geld anzunehmen, das war dem Buchhalter in seiner dreißigjährigen Praxis noch nicht passiert.
    Endlich ging das Gitter wieder hoch, und der Buchhalter beugte sich zum Schalterfenster.
    "Haben Sie denn viel?" fragte der Angestellte/ "Einundzwanzigtausendsiebenhundertelf Rubel." "Oho!" antwortete der Angestellte ironisch und reichte dem Buchhalter das grüne Formular.
    Der Buchhalter, der bestens Bescheid wußte, füllte es im Nu aus und schnürte das Geldpaket auf. Als er das Zeitungspapier auseinanderschlug, flimmerte es ihm vor den Augen, und er stieß einen wehen Laut aus.
    Vor seinen Augen flirrte ausländisches Geld: da waren Päckchen kanadischer Dollars, englische Pfunde, holländische Gulden, lettische Lats, estnische Kronen ...
    "Da haben wir ja einen von diesen Spaßvögeln aus dem Variete!" sagte eine Stimme drohend dicht über dem versteinerten Buchhalter. Wassili Stepanowitsch wurde verhaftet.
18 Die unglücklichen Besucher
    Indes der tüchtige Buchhalter per Taxi lossauste, um dem schreibenden Anzug zu begegnen, entstieg dem gepolsterten Platzkartenwagen Nr. 9 des Kiewer Zuges, der soeben in Moskau eingelaufen war, inmitten anderer Fahrgäste ein gutgekleideter Mann mit einem Vulkanfiberköfferchen. Dieser Mann war niemand anders als der Onkel des verblichenen Berlioz der Planungsökonom Maximilian Andrejewitsch Poplawski, beheimatet in Kiew in der ehemaligen Institutskaja-Straße. Der Grund für seine Moskaureise war ein Telegramm, das er vorgestern spätabends erhalten hatte. Das Telegramm hatte folgenden Wortlaut: "Bin soeben an Patriarchenteichen von Straßenbahn überfahren Beerdigung Freitag fünfzehn Uhr bitte kommen Berlioz." Poplawski galt verdientermaßen als einer der klügsten Köpfe in Kiew. Aber selbst den Klügsten kann ein solches Telegramm in Druck bringen. Wenn jemand telegrafiert, er sei überfahren worden, kann er nicht tot sein. Aber was soll dann die erwähnte Beerdigung? Vielleicht steht es schlecht um ihn, und er weiß, daß er sterben muß? Möglich, doch dann wiederum ist diese Genauigkeit im höchsten Grade seltsam: Woher weiß er, daß er Freitag um fünfzehn Uhr beerdigt wird? Komisches Telegramm!
    Aber kluge Leute sind deshalb klug, weil sie sich in komplizierten Dingen zurechtzufinden wissen. Sehr einfach. Da war ein Fehler unterlaufen und der Depeschentext verstümmelt. Das Wort "Bin" war zweifellos aus einem anderen Telegramm hierhergeraten und stand für den Namen "Berlioz", den man irrtümlich ans Ende des Telegramms gesetzt hatte. Nach dieser Korrektur war der Sinn des Telegramms klar, wenngleich tragisch.
    Nachdem der Kummeranfall, der Poplawskis Gattin niederwarf, etwas nachgelassen hatte, rüstete der Planungsökonom unverzüglich zur Reise nach Moskau.
    Wir müssen hier ein Geheimnis Poplawskis enthüllen. Unstrittig dauerte ihn der Neffe seiner Frau, den es in der Blüte seiner Jahre dahingerafft hatte. Aber als sachlicher Mensch wußte er natürlich, daß seine Teilnahme an der Beerdigung keineswegs erforderlich war. Dennoch hatte er es sehr eilig, nach Moskau zu kommen. Was hatte das für einen Grund? Nur einen — die Wohnung. Eine Wohnung in Moskau, das war was? Niemand weiß, warum es Poplawski in Kiew nicht gefiel, doch der Gedanke an die Übersiedlung nach Moskau hatte in letzter Zeit dermaßen an ihm geknabbert, daß er nachts nicht mehr schlafen konnte. Ihn freuten nicht die Frühjahrsüberschwemmungen des Dnepr, während deren das Wasser die Inseln am Flachufer überflutete und mit dem Horizont verschwamm. Ihn freute nicht der herrliche Ausblick, der sich vom Fuß des Fürst-Wladimir-Denkmals bot. Ihn freuten nicht die Sonnenflecke, die im Frühling auf den ziegelgepflasterten Wegen des Wladimir-Hügels spielten. Nicht das war es, was er wollte, er wollte nur eines — übersiedeln nach Moskau.
    Die Zeitungsinserate, in denen er seine Kiewer Wohnung zum Tausch gegen eine kleinere Wohnung in Moskau anbot, erbrachten keinerlei Resultate. Es fanden sich keine Interessenten, und wenn sich welche fanden, dann machten sie unseriöse

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