Der Metzger holt den Teufel
Planänderung wird sich als seine größte Strafe erweisen. Als genau die Strafe, die er selbst für seine Opfer vorgesehen hatte.
So viel Verachtung wie nur irgend möglich legt sie in jedes ihrer Worte: »Homolka, davon träumst du, von einem schnellen Tod. Nur gehen bekanntlich nicht alle Träume in Erfüllung!«
Herbert Homolka hat sich seinen Schalldämpfer an die Schläfe gesetzt, da durchbricht zuerst ein Knall, dann ein Schrei die Stille. Nein, da kennt sie nichts, die Moritz, in puncto Kaliber hat ihre Dienstwaffe, ihr kleines Mädchen, Geschwister. Und vor allem die heute ausgerückte große Schwester ist an Durchschlagskraft kaum zu überbieten.
Nur noch ein dünner, fleischiger Strang verbindet die getroffene Hand mit dem immer noch hochgehaltenen Unterarm, und für den Bruchteil einer Sekunde scheinen die Finger die schallgedämpfte Pistole gar nicht loslassen zu wollen. Wie ein im Winter aus dem Ärmel eines bunten Overalls baumelnder, an einem dicken Wollfaden befestigter knallroter Kinderhandschuh sieht sie aus. Ein zwar schauriger, was die Treffsicherheit betrifft, aber durchaus befriedigender Anblick. Lange ist dieses Bild Irene Moritz allerdings nicht vergönnt, denn wirklich beeilt hat er sich, ihr Held Gerhard Kogler, natürlich begleitet von Josef Krainer. In die Wohnung hereingestürmt, ändern die beiden nach dem alles erklärenden Ausruf ihrer zukünftigen Vorgesetzten: »Leben lassen!« das Ziel und nehmen sich ohne große zieltechnische Feinarbeit die Kniekehlen und Schultergelenke vor. Herbert Homolka sinkt zu Boden, ohne weitere Aussichten auf den von ihm so heiß ersehnten Selbstmord.
Die wahre Strafe ist nicht der Tod, sondern die Einsamkeit im lebenslänglich irdischen Fegefeuer, das wird Irene Moritz nun klar. Langsam erhebt sie sich und geht auf ihn zu: »So leicht kommst du nicht davon!«
Sandra Kainz hat Angst, mit suchenden Augen steht sie beim Fenster. Nebenan wurde geschossen. Mehrmals. Auf der Straße stehen Einsatzfahrzeuge. Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Sie ist allein, fühlt sich verlassen. Seit einigen Tagen findet kein einziger Eintrag mehr statt, alle sind sie verschwunden, nur sie ist übrig, Qrz15h. Und nun das, irgendetwas muss passiert sein.
Es dauert nicht lange, und zu den Fahrzeugen der Polizei gesellt sich ein Rettungstransport. Wenig späterwird er aus dem Haus getragen, ihr Nachbar, ihr einziger Freund, festgebunden, offenbar schwer verletzt. Es kommt ihr vor, als hätten sich während des kurzen Stückes vom Haustor bis zum Wagen ihre Blicke getroffen. Es kommt ihr vor, als habe er ihr zugelächelt. Lange noch steht sie am Fenster. Dann läutet es. Mitten in der Nacht. Zögerlich fährt sie zur Tür.
»Bitte?«
»Frau Kainz?«
»Ja?«
»Mein Name ist Moritz, Irene Moritz, Kriminalpolizei. Ich müsste dringend mit Ihnen reden!«
Sie öffnet. Vor ihr steht eine Frau, jung, abgekämpft, mit ernsten Augen. Dahinter ein älterer Herr.
»Das ist mein Kollege Josef Krainer!«
Sie wird das Gefühl nicht los, dass er sie etwas zu lange ansieht. Dann schweift sein Blick ab und bleibt haften am Vorzimmerkästchen.
Heute war Großmutter zu Besuch.
Beruhigend klingt seine Stimme: »Ich liebe Marillenmarmelade, selbst gemachte natürlich, und wehe, sie ist zu süß.«
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D IE F ESTNAHME H ERBERT H OMOLKAS löst nicht nur eine mediale Woge der Erschütterung samt der endgültigen Rufschädigung Rupert von Leugendorfs aus. Sie diskreditiert auch den Mitläufer Eugen von Mühlbach sowiedie ewig schweigenden Adelshäuser. Immerhin wurde, so einige Medien, die Bestie Herbert Homolka erst durch die Verbrechen dieser Familien erschaffen. Rechtfertigt ein schreckliches Verbrechen also ein anderes, noch schrecklicheres? Spätestens da hat der Metzger dann angewidert aufgehört, die Zeitungsberichte zu verfolgen.
Ihm lag ohnedies ein Klumpen im Magen, denn mit dem Abschluss der Ermittlungen wurden auch die in der Gerichtsmedizin auf bewahrten Leichen freigegeben.
Angst hat er gehabt, der Willibald, vor diesem letzten Weg am Fuße eines Holzsarges. Auch wenn Oskar erst kürzlich in der Werkstatt gemeint hat: »Eine Eichentruhe. Schön ist das!« Worauf ihm vom Restaurator die bei seinem ersten Besuch so inniglich umarmte Eichenkommode geschenkt wurde. »Die passt schön in dein Zimmer, denk ich!«
Trotzdem, was der Metzger nun erlebt, passt für ihn gar nicht. Denn da ist er völlig überzeugt: Das hat die Freude und die Mühsal eines Lebens nicht verdient,
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