063 - Das Monster lebt
Ich trank meinen Pernod und hätte danach das Glas am liebsten gegen die Wand geschleudert, so wütend war ich. In meinem schwarzen Anzug kam ich mir vor wie ein Totenvogel.
Mein Blick wanderte durch den Living-room zum Safe. Er war magisch gesichert, und das hatte seinen guten Grund.
Wir bewahrten das Höllenschwert darin auf, und das goldene Ornament, das die Buchstaben U-N-A in einem Kreis miteinander verband.
Dieser Ornamentkreis war mindestens so wertvoll wie das Schwert, denn mit seiner Hilfe würde sich Loxagons Grab finden lassen.
Mit Hilfe des Kreises und eines Plans, auf den man die drei Ornamentdrittel legen mußte, aber das war der Haken.
Wir hatten keine Ahnung, wo sich dieser alte Plan befand, und im Moment hatte von uns auch keiner eine Idee, wie wir ihn finden konnten.
Aber das war nicht der Grund für meinen Zorn. Ich ärgerte mich über die Ohnmacht, der ich manchmal ausgesetzt war.
Ein Jahr lang hatte ich zusehen müssen, wie mein guter Freund und Nachbar Lance Selby langsam verfiel, ohne ihm helfen zu können.
Er ging an Professor Kulls synthetischem Blut zugrunde, ohne es selbst mitzubekommen, denn Roxane hatte ihn in einen magischen Schlaf versetzt, aus dem er nie mehr erwachte.
Mr. Silver hatte es mit seiner Magie versucht, Spezialisten hatten sich um Lance bemüht, doch selbst ein Blutaustausch hatte nichts gebracht, denn auch frisches Blut wurde von Lances Körper sofort wieder in diesen künstlichen Lebenssaft umgewandelt.
Niemand konnte dem sympathischen Parapsychologen, mit dem ich so viele Schlachten geschlagen hatte, helfen.
Er wurde zum Greis und starb schließlich an Altersschwäche.
Und heute war seine Beerdigung.
Ich blickte aus dem Fenster. Die Blätter der Bäume fingen an, sich zu verfärben, der Himmel war bleigrau und ein heftiger Sturm fegte durch Londons Straßen.
Gedankenverloren schaute ich zu dem Haus hinüber, das jetzt leer stand. Das Glück hatte einst dort drüben gewohnt.
Ich erinnerte mich noch genau an den Tag, als Lance Selby Oda, die Weiße Hexe, kennenlernte. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, und Oda hatte auch dann noch zu Lance gehalten, als für uns alle feststehen mußte, daß niemand mehr ihm helfen konnte.
Bis zu ihrem Tod blieb sie an seiner Seite…
Die Tür öffnete sich, und Vicky Bonney trat ein. Sie trug ein schwarzes Kostüm und hatte das blonde Haar hochgesteckt.
Tränen glitzerten in ihren Augen.
»Wenn man das Rad der Zeit doch bloß zurückdrehen könnte«, knurrte ich und stellte das leere Glas weg.
»Dann würde alles genauso noch einmal passieren«, bemerkte Vicky.
»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht«, sagte ich.
»Meinst du etwa, dich trifft eine Schuld an Lances Schicksal, Tony?«
»Manchmal glaube ich es.«
»Du kannst nichts für das, was geschehen ist. Es war das Werk von Professor Kuli und seiner Organisation des Schreckens. Diese Leute haben unseren Freund zum Kamikazekiller gemacht.«
»Das stimmt, aber nachher - haben wir da wirklich alles unternommen, um Lance zu retten?«
»Wir haben bestimmt getan, was wir konnten. Mehr war nicht möglich. Du hast dir nichts vorzuwerfen. Nicht einmal Oda oder Mr. Silver konnten etwas für Lance tun.«
Ich umarmte Vicky Bonney seufzend. »Wahrscheinlich hast du recht.«
Mr. Silver und Roxane betraten den Raum. Auch sie waren schwarz gekleidet. Ihnen folgte Boram, der Nessel-Vampir, eine Nebelgestalt ohne festen Körper. Er würde als einziger nicht mitkommen.
Wir wollten jedes Aufsehen vermeiden, und das hätte der weiße Vampir auf dem Friedhof mit Sicherheit erregt.
Auch Mr. Silver trauerte um den toten Freund, der ihm sehr viel bedeutet hatte. Nur um Roxanes Mund lag ein spöttischer, vielleicht sogar triumphierender Ausdruck, doch daran war die Hexe aus dem Jenseits nicht schuld.
Seit sie dem Silberdämon Metal in die Hände gefallen war, trug sie zur Hälfte die tückische Zauberin Arma in sich, und der gefiel es natürlich, daß es einen Feind der Hölle weniger gab.
Es war bedauerlich, daß wir Roxane nicht mehr so wie früher vertrauen konnten. Sie unterlag gefährlichen Schwankungen.
Einmal gewann unsere Freundin die Oberhand, dann jedoch wieder unsere Feindin Arma. Wir wußten nie genau, mit wem wir es gerade zu tun hatten.
War es Arma oder Roxane? Da sie stets gleich aussah, fiel es uns nicht immer leicht, das schnell zu erkennen, deshalb paßte in letzter Zeit Boram auf sie auf.
Arma sollte keine Möglichkeit haben, uns ein Bein zu
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