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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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der Metzger im Vorbeigehen einen kurzen ignoranten Deut und landet bei einer Sekretärin.
    „Haben Sie einen Termin?“, wird er freundlich begrüßt.
    „Nein, aber die Lieferung eines wertvollen barocken Spieltisches samt seiner vier Sessel!“
    „Wie ist Ihr Name?“
    „Metzger, Willibald Adrian Metzger, Restaurator, der Herr Präsident weiß Bescheid!“
    Ein „Moment!“ ist zu hören, dann verschwindet die junge Dame kurz im Zimmer, kommt nach wenigen Minuten zurück und meint freundlich:
    „Sie können jetzt eintreten.“
    Höflich hält sie ihm die Tür auf, was sich bei dem gewichtigen Vollholzstuhl als sehr hilfreich herausstellt.
    Dann fällt sie zu, die Tür, und es eröffnet sich ein Raum von einer endlosen Weite, bis zu den sanften Erhebungen am Rand der Stadt geht der Blick. Durch die rundherum vollständig verglaste Außenfront scheint es dem Metzger, als schwebe er über den Dächern, Gärten, Straßen, Menschen und deren Haustieren, und er ist froh, sich am Barockstuhl anhalten zu können.
    „Also, Herr Metzger, worüber weiß ich Bescheid? Das müssen Sie mir jetzt erklären mit Ihrem, was hat Frau Roswitha da gesagt, Spieltisch samt Sesseln? Was ist ein Spieltisch und wie komme ich zu dem Vergnügen?“
    Hinter einem bombastischen Schreibtisch, an dem der gesamte Nachwuchs einer sechsköpfigen Familie gemeinsam seine Hausübungen erledigen könnte, sitzt ein feiner, eloquenter, braun gebrannter Herr in perfekt sitzendem feinen Nadelstreif, dagegen ist der Hochzeitsanzug von Willibalds Vater eine Kutschergarnitur, und schenkt dem Restaurator einen freundlich auffordernden Blick. In Gegenwart dieses vor Gesundheit und Sympathie strotzenden Hochglanzmodells der männlichen Rasse fühlt sich der Metzger plötzlich wie das eigene verblichene Abziehbild, wobei er selbst in gepflegtem Zustand optisch noch immer einen Niemand darstellen würde.
    „Nicht das Äußere zählt“, hat seine Mutter immer gemeint, wie dem kleinen Willibald die Folgen ihrer liebevollen Überfütterung bereits deutlich anzusehen waren. Und wie es zählt, hat der Metzger dann im Laufe seines Lebens am eigenen liebevoll überfütterten Leib zu spüren bekommen.
    „Ich dachte, Johann König ist Präsident!“, kann der Metzger seine Verwunderung nicht verbergen und läuft dabei so rot an wie das Saurias-Wappen.
    „Sie gefallen mir, Herr Metzger. Offenbar leben Sie mit Ihrer Berufung, Restaurator hat mir Frau Roswitha erklärt, in einer sehr abgeschlossenen Welt. Da beneid ich Sie aufrichtig. Die Medien waren alle voll damit: Johann König ist zurückgetreten, nach all den Ereignissen in unserem Verein und tragischerweise auch in seinem Leben. Den werden Sie jetzt nicht erreichen, weil der ist zur Erholung bei seinen Kindern in den Staaten. Gut für ihn, gut für den Verein! Glauben Sie mir, hier bei uns geht es gerade ans Eingemachte!“
    „Und was mach ich jetzt mit den Möbeln?“, fragt ein eher verzweifelter Metzger und nimmt auf dem Sessel Platz, seitlich, mit einem Ellbogen auf die hintere Lehne aufgestützt. Die einzige Wandseite dieses sonst verglasten Zimmers taucht in seinem Blickfeld auf, und der Metzger zuckt zusammen vor Schreck, da ist noch wer, hinter ihm – ganz zum Vergnügen des Präsidenten.

58
    Petar Wollnar sitzt in seinem Pritschenwagen und wartet. Nicht oft kommt es vor, dass er sich etwas schäbig fühlt, dafür hat ihn sein Leben schon viel zu oft auf den Boden fallen lassen, als dass ihm Äußerlichkeiten wichtig wären. Aber angesichts der vorbeirauschenden Nobelkarossen hätte er sich und seinem Pritschenwagen allerdings schon ein etwas jüngeres Erstzulassungsdatum vergönnt. Wenigstens muss er nicht aussteigen und sich in dieses Anzug- und Kostümgetümmel einreihen, das da an seinem Wagen vorbeirauscht.
    Obwohl, eine hervorragend sitzende Hose hätte er ja an, und so schlecht ist seine Figur auch wieder nicht. Für meinen Hintern muss ich mich nicht schämen, dank Fitnesscenter Stiegenhaus, geht es ihm durch den Kopf, und ein leichtes Schmunzeln legt sich auf seine Lippen. Gerade rechtzeitig für die ausgesprochen hübsche Dame, die da gerade am Pritschenwagen vorbeimarschiert und zufällig einen Blick zum Fenster hereinwirft. Ein Blick kann reichen, für einen Mann – und für eine Frau, auch wenn die weibliche Welt diesbezüglich gerne etwas anderes behauptet, so in der Richtung: innere Werte, männliche Redefreudigkeit und Feingefühl. Ein viel versprechender Blick ins Gesicht, auf den

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