Der mieseste aller Krieger - Roman
Leiche. Ich erkannte sofort, dass es meine war. Der vom Rumpf abgetrennte Kopf bewegte sich über den Steinen am Ufer, ein Anblick, der mich rührte, obwohl ich wusste, was es hieß, wie ein Gespenst zu hausen. Seit sie mich in den Siebzigern aus dem Flugzeug warfen. Aber ich werde nicht schweigen, weil ich es nicht darf, bis du die ganze Tragikomödie kennst. Manchmal ist es besser, nicht zu viel zu wissen, geben sie mir zu verstehen. Vielleicht haben sie ja nicht ganz unrecht. Aber mir gefällt deine Neugier zu erfahren, was geschehen ist, Benito. Du verhältst dich so, wie wir es uns immer von dir gewünscht haben. Du bist ein junger Mann, der noch nicht mit beiden Beinen auf der Erde steht, der den Dingen auf den Grund gehen will. Daher rührt deine leidenschaftliche Melancholie. Doch mehr noch beeindruckt mich, wie du dein Gedächtnis mit meinem verschmelzen lässt, wie du mit dieser Methode die Zeit deiner Eltern zurückholst, wie du die Themenfindest, die dein Heft füllen sollen. Das hast du dir geschworen. Du tastest dich in der Unordnung deines Zimmers vorsichtig voran, schließt die Augen und öffnest sie wieder, stehst auf und kehrst zurück zu dem Möbelstück, wo du den Webley Mark VI, Kaliber .38, gefunden hast, kramst einige vergilbte Seiten des Atacameño hervor, breitest die Zeitung wie eine Decke auf dem Tisch aus und gehst den alten Bericht über Sofanor und die Inglesa noch einmal durch. Du suchst den erzählerischen Impuls, deshalb willst du den Rest der Geschichte von mir erfahren.
Wie gesagt: Da war mein Körper. Ich hätte ihn am liebsten auf meinen Fischkarren geladen, um ihn zu irgendeinem Friedhof zu bringen und meinen Namen auf den Grabstein zu schreiben, doch ich besaß nicht die nötige Körperlichkeit, um diese Aufgabe zu bewältigen. So viel beerdigtes Leben, Kopf an Kopf, die Augen mit dem Fetzen eines alten Hemdes verbunden, all das schlug Pater Alzamora schwer auf den Magen. Er betete für die armen Würmer, die selten in unserer Atacamawüste gedeihen. Dabei hatte der Pfaffe schon das brutale Vorgehen von López-Cuervo senior gebilligt. Gott und Satan arbeiteten schon seit Jahren, seit Jahrzehnten Hand in Hand, seit der Entstehung der Welt waren sie Komplizen, der Satan López-Cuervo beeinflusste jede Entscheidung, die der Gott Alzamora traf. Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ich mir vorstelle, was sie mit meiner Petronila gemacht haben. Als Sofanor mich damals so verzweifelt sah, weil manmir genommen hatte, was ich am meisten liebte, floh er aus der Klosteranstalt, um mir beizustehen.
»Bist du dir ganz sicher?«, fragte ich ihn.
»Samu, für das, was dieser Hurensohn verbrochen hat, gibt es keine Worte. Ich gehe mit dir, wir werden ihn finden.«
Wir schnürten unsere Bündel und machten uns auf die Suche nach dem Mörder. Ich weiß nicht mehr, wie uns zu Ohren kam, dass López-Cuervo nach Santiago umgezogen sei. Jedenfalls begaben wir uns dorthin, um ihm die Stirn mit einer Kugel zu dekorieren. Mit einem Foto in der Hand zogen wir durch die Straßen der Hauptstadt, durch die hübschen Gärten und Parks, und versuchten, die wenigen Informationen, die wir über den Satan bekommen konnten, zusammenzufügen. Wir träumten in jener Zeit von nichts anderem, als davon, diesen Verbrecher zur Strecke zu bringen. Das war unsere Art, mit Petronilas Tod umzugehen. In schlechten Momenten dachten wir verzweifelt, der Erdboden habe López-Cuervo verschluckt, doch bald darauf durchkämmten wir wieder optimistisch die Straßen, klapperten die Polizeireviere der Stadt ab und zeigten sein Foto herum, damit wir ihm endlich unsere Nachricht überbringen könnten – die seines eigenen Todes.
Das Leben in Santiago machte uns bisweilen zu schaffen. Nirgendwo schlug uns die Vertrautheit unseres Dorfes entgegen. Die Leute interessierten sich ungeheuer dafür, wo man herkam, welchen Familiennamen man führte,und viele blickten verächtlich auf uns Provinzler herab, die man schon von weitem an ihrem Gang, an ihrer Art zu sprechen und sich zu kleiden erkannte. Wir hatten auf einem riesigen Freigelände in der Nähe des Río Mapocho unser notdürftiges Lager aufgeschlagen, das uns drei lange Jahre ein Zuhause war. Abends schmuggelten wir uns in Dichterlesungen, um gratis zu essen und zu trinken. Manchmal suchten wir uns auch Beerdigungsfeiern, wo lauwarmer Wein ausgeschenkt wurde.
Sofanor war Frühaufsteher, und oft wusch er bereits zusammen mit den Frauen vom Gelände am Flussufer seine Wäsche,
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