Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
stranguliert worden, wie Flor und ich gedacht hatten. Die Gerichtsmediziner, die die Autopsie durchführten, sagten, sie habe die Rosen gepackt, um Sofanor den Strauß entgegenzuschleudern, doch das Ersticken und die Lähmung der Atemwege hätten das Vorhaben vereitelt. Alles sei so schnell gegangen, dass sie mit den Rosen in den Händen rücklings aufs Bett niedergesunken sei. Als López-Cuervo II die Taschen der Inglesa und Sofanors Kleidung durchsuchte, stieß er in derWildlederjacke meines Freundes auf das Säckchen mit Resten von Schierling, das ihm seinerzeit die Lorenzona zugesteckt hatte. Doch Sofanor hockte in seiner Ecke, getötet durch eine Kugel mitten in die Stirn, den deutschen Revolver an seinen Zeigefinger geklemmt. Folglich konnte es nur die Inglesa gewesen sein, die das Schierlingskraut in die Bierflasche gemischt hatte. Andererseits deuteten ihr Ausdruck der Verzweiflung und das Durcheinander der zerfetzten Blütenblätter darauf hin, dass sie sich nicht hatte umbringen wollen. Eher war zu vermuten, dass sie plante, am nächsten Tag rasch zur Natal Star zurückzukehren, wo die Tita und Ronal sie erwarteten. Die Beute befand sich unter dem Bett, die Taschen fertiggepackt für einen eiligen Aufbruch an einen fernen Ort. So schloss López-Cuervo II erneut die Anwesenheit einer dritten Person im Raum nicht aus. Und so wie es der Sohn des Satans sah, musste dieser Dritte ich gewesen sein.
    Allerdings glänzte eine vergoldete Taschenuhr in Sofanors Gesäßtasche. Also konnte sich auch alles so zugetragen haben: Sofanor steckte einen Schierlingszweig in die Bierflasche, die er mit dem Strauß frischer Rosen mitgebracht hatte. Die Inglesa befand sich derweil im Bad, wo sie sich die Milch vor dem Spiegel abpumpte. Als sie heraustrat, fiel ihr sofort der Revolver ins Auge, der auf der Erde lag, und diese Unvorsichtigkeit bedeutete für sie eine Gelegenheit, die sich so schnell nicht wieder bieten würde. Sofanor hatte soeben meinen Wecker gestellt, als die Inglesa ihm in die Stirn schoss und den Webley Markdann an seinen Zeigefinger klemmte, um es nach Selbstmord aussehen zu lassen, was exakt um zehn nach zwei geschah. Das zeigte die kaputte Taschenuhr in der Gesäßtasche meines Freundes an; mit der Wucht des Todes hatte sein Hinterteil die Uhr um diese Zeit angehalten. Die Inglesa blieb noch ein paar Stunden bei dem Leichnam. Sie packte die Taschen, um am frühen Morgen aufzubrechen. Vielleicht beschimpfte sie ihn, weil er den Rubin der Lorenzona geschenkt hatte, vielleicht warf sie ihm auch seine Freundschaft mit ihr vor. Sicher aus Furcht, entdeckt zu werden, verließ sie das Zimmer nicht – nicht mal, um sich etwas Kaltes zu trinken zu holen. Sie wollte keinen Verdacht erregen. Die Ojerosa klopfte an die Tür und erkundigte sich, ob sie einen Wunsch hätten. Anschließend zog sie sich zurück in der Annahme, die beiden genössen ihre intime Zweisamkeit, während Sofanor in Wirklichkeit bereits tot war. Die Inglesa musste den Anblick jenes in der Ecke sitzenden leblosen Körpers ertragen, der sie die ganze Zeit angrinste. Doch dann empfand sie Erleichterung: Die gemeinsame Zukunft mit ihrem Mädchen schien gesichert. Der Wecker würde um fünf Uhr dreißig losschrillen. Irgendwann beschloss die Inglesa, sich den üblen Geschmack, den ihr die Gegenwart des Leichnams verursachte, wegzuspülen, und da besänftigte sie ihre Kehle, indem sie den Inhalt der halben Flasche Bier hinunterkippte. Sie verstand nicht, was geschah, als das Getränk ihr den Mund austrocknete, ihr das Schlucken plötzlich schwerfiel, ihre Pupillen sich weiteten und ihre Beineschließlich nachgaben, sie nicht einmal mehr bis zur Tür trugen. Die italienische Vase fiel zu Boden und zersprang in tausend Scherben, ihre Finger umklammerten den dornigen Rosenstrauß, als sie wild um sich schlug, und die Blüten zerstieben. Vielleicht wollte sie mit dem Strauß auf Sofanor einschlagen, weil sie sein Schnurrbartlächeln nicht länger ertragen konnte, vielleicht öffnete sie auch das Fenster, um frische Luft hereinzulassen, oder sie legte sich hin in dem Glauben, dieses Unwohlsein würde rasch vorübergehen. Mag sein, dass es auch anders verlief, denn all das ist schon so oft von Mund zu Mund gegangen, dass viele es inzwischen für eine reine Legende halten. Jedenfalls lagen die zerfetzten Blütenblätter überall verstreut, und um halb sechs riss das Schrillen des Weckers das halbe Chanchoquín aus dem Schlaf. Sicher weiß ich nur, Benito,

Weitere Kostenlose Bücher