Der Milliardaer und die Liebe
ihre geliebte einzige Tochter. Das hat sie beide gebrochen. Meine Mutter trauerte und trauerte, bis sie vom Hausarzt der Familie unter so starke Beruhigungsmedikamente gesetzt wurde, dass sie gar nicht mehr funktionieren konnte. Dauernd musste ich einspringen und für meine jüngeren Brüder sorgen, ihnen Essen machen, sie baden und ins Bett bringen, nachdem das Kindermädchen ohne Vorankündigung verschwunden war, weil meine Mutter sie in ihrem Wahn ungerechterweise beleidigt hatte.“
Keuchend holte er Luft. „Mein Vater kam mit all dem nicht zurecht. Er hatte ein Unternehmen zu führen. Großvater und Großmutter taten zwar, was sie konnten, aber keiner von ihnen konnte den Schmerz meiner Eltern lindern. Ständig habe ich mit der Angst leben müssen, auch noch meine Mutter zu verlieren, wenn nicht noch meinen Vater. Ich war davon überzeugt, dass beide nicht mehr leben wollten. Und ich musste alles in meiner begrenzten Macht Stehende tun, um ihnen Rückenstärkung zu geben – um die Familie zusammenzuhalten.“
Ohne ihn zu unterbrechen, hörte Maya ihrem Mann zu. Jedes Mal, wenn es um seine kleine Schwester ging, weihte er Maya ein wenig mehr in seine eigene tragische Kindheit ein, und sie war unendlich dankbar dafür. Seine gelegentliche Offenheit half ihr zumindest dabei, seine selbst gewählte emotionale Distanziertheit nachvollziehen zu können. Allmählich verstand sie auch, warum er mit spontanen Zuneigungsbekundungen so wenig anzufangen wusste.
Giorgio hatte sein Leben lang für alle stark sein müssen. Dabei lernte er, seine eigenen Gefühle zu verdrängen, weil um ihn herum alle Menschen buchstäblich auseinanderfielen oder schutzbedürftig waren.
„Und dann schien sich der Nebel endlich zu lichten“, fuhr er fort. „Ironischerweise waren es vermutlich gerade die vielen Affären meines Vaters, die meine Mutter irgendwann in die Realität zurückgeholt haben und sie aus ihren Depressionen auftauchen ließen. Ihr wurde klar, dass sie weiterleben musste, für ihre Kinder und für ihren Mann. Und sie arbeiteten hart an ihrer Ehe, die vor Chiaras Tod sehr glücklich gewesen war.“
„Es tut mir leid“, murmelte Maya beschämt. „Ich wusste nicht, wie schwer es in dieser Hinsicht für euch alle gewesen ist. Und du warst noch so jung, trotzdem hast du dich für alle anderen verantwortlich gefühlt und dich um sie gekümmert.“
Giorgio hob leicht die Schultern. „Eine Beziehung bedeutet grundsätzlich eine Menge Arbeit, Maya. Selbst wenn alles hervorragend läuft, kann immer etwas Schlimmes passieren. Und für Menschen, die sozusagen im Scheinwerferlicht leben, ist es noch schwerer. Denn jeder ihrer Schritte wird in der Presse diskutiert und verbreitet, häufig ziemlich abgefälscht.“
Mit beiden Händen rieb Maya sich über die Augen. Sie wollte die ganze Wahrheit wissen, nichts weiter als die volle Wahrheit. „Hast du mit diesem Model geschlafen?“
Es dauerte eine Weile, bevor er ihr antwortete.
Eine ganze Weile.
„Zu meiner Schande muss ich gestehen, ich hatte es wirklich vor“, räumte Giorgio ein. „Aber als es dann so weit war, hielt ich es nicht mehr für eine gute Idee. Damit könnte ich Talesha Barton ziemlich verärgert haben, und aus Rache zieht sie nun mein Ansehen in den Dreck. Und meine Ehe steht zum zweiten Mal im Kreuzfeuer.“
Die Erleichterung ließ Mayas Knie weich werden. Sie glaubte ihrem Mann, weil er ein ehrlicher Mensch war, oftmals sogar etwas zu ehrlich. Immerhin gab er zu, der Versuchung fast erlegen zu sein. Und rückblickend betrachtet hatte er ja auch jedes Recht dazu gehabt, denn schließlich waren sie zu diesem Zeitpunkt offiziell voneinander getrennt.
„Wirst du irgendetwas gegen dieses Zeitungsinterview unternehmen?“, fragte Maya. „Bestehst du auf einer Richtigstellung, oder willst du vielleicht sie oder auch das Blatt verklagen?“
„Darum werden sich meine Anwälte kümmern“, versprach er. „Je eher desto besser. Und falls die betreffende Frau dich persönlich anrufen sollte, sprich bloß nicht mit ihr! Leg einfach auf! Hier geht es ausschließlich ums Geld, um nichts weiter.“
Klingt ein bisschen nach unserer Ehe, hätte Maya beinahe gesagt.
Mit einer Hand strich Giorgio über ihr Haar. „Ich kann dir nicht versprechen, dass die Medien mich nicht noch einmal mit Dreck bewerfen werden. Und vielleicht tauchen auch noch andere Frauen von früher auf und wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Aber ich kann dir versprechen, dass ich dich und
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