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Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Titel: Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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Kriege, Statements von ausländischen Regierungschefs – alles uninteressant. Ein Politiker liest die Zeitung nur unter zwei Gesichtspunkten: Gibt es etwas, das mich in Verlegenheit bringen kann, weswegen ich mich verteidigen muss? Und: Gibt es etwas, das meine Gegner in Verlegenheit bringt, weswegen ich angreifen kann?«
    Linda redete schneller: »Die wichtigste Arbeitszeit eines Politikers ist die Zeit zwischen sechs und neun Uhr morgens. Wenn mein Mann zu Hause ist, steht er um sechs Uhr auf und liest die Zeitung. Um sieben hat er einen Spickzettel mit eingängigen Formulierungen fertig. Denn falls er sich verteidigen muss, ruft spätestens um sieben ein Journalist an. Und falls er angreifen kann, beginnt er um sieben, ein paar ihm bekannte Journalisten anzurufen. Wenn um neun oder zehn die Sitzungen anfangen, muss alles erledigt sein.«
    »Ein ziemlich langer Arbeitstag«, sagte ich. »Nach den Sitzungen kommen die Arbeitsessen und am Abend die Empfänge und inoffiziellen Kungeltreffen.«
    Linda lachte. »Bei den Sitzungen kann man sich schon entspannen. Bis auf die Vorturner hört niemand zu. Während der Chauffeur einen zum nächsten Termin fährt, kann man ein Nickerchen machen. Und vergiss nicht den Mittagsschlaf – der ist Politikern heilig.«
    Das Telefon im Flur klingelte. Linda stand auf. Ich bemühte mich, nicht hinzuhören. Es war ohnehin klar, wer da anrief. Es war Viertel nach neun. Lindas Ehemann hatte seine Arbeit erledigt, er dachte an seine Frau.
     
    Wir frühstückten schweigsam. Linda hatte noch kein Make-up aufgelegt, sie sah fast so alt aus, wie ich sie schätzte. Aber ich war ja auch nicht mehr der Jüngste.
    Nach dem Frühstück brachte sie mich zur Tür. »Ich weiß, was du sagen willst.«
    »Ich wollte nichts sagen.«
    »Wir lassen es auf uns zukommen. Vielleicht sehen wir uns wieder, vielleicht nicht. Vielleicht rufe ich dich an, vielleicht nicht.«
    Ich gab ihr meine Karte.
    Sie küsste mich auf den Mund und sagte entschuldigend: »So ist das, wenn man verheiratet ist.«
    »Woher weißt du eigentlich, dass ich nicht verheiratet bin?«
    Ein leichtes Rosa überzog ihr Gesicht. »Ich habe mich bei Till Geskamp nach dir erkundigt.«
    »Wann?«
    »Bevor ich dich angesprochen habe.«
     
    Unkonzentriert erledigte ich Hausarbeit. Es war mein Sarah-Wochenende, und ich wollte die Wohnung zumindest vom gröbsten Schmutz befreien. Dabei gingen mir tausend Sachen durch den Kopf.
    Gegen Mittag rief ich Imke, meine Ex-Frau, an, um mit ihr die Modalitäten der Übergabe unserer vierjährigen Tochter zu regeln. Imke lebte inzwischen mit ihrem Freund zusammen, in einer Dreizimmerwohnung in Lüdinghausen. Für eine ehemalige antiklerikale Terroristin ein steiler Abstieg.
    Imke war am Telefon erstaunlich freundlich. Ich konnte mich nicht erinnern, wann das zuletzt passiert war.
     
    Lüdinghausen am Samstag glich einer Geisterstadt. Ich klingelte und wartete an der Wohnungstür auf Sarah.
    »Komm doch herein!«, sagte Imke.
    Schon wieder eine Neuerung. Ich betrat den frisch verlegten Teppich in der sauberen, kleinen, hellen, scheißungemütlichen Wohnung.
    »Möchtest du einen Kaffee?«, fragte Imke.
    »Nein, danke. Ich möchte eigentlich gleich wieder …«
    »Sarah ist sofort fertig. Setz dich doch so lange in die Küche!«
    Ich setzte mich in die Küche. Imke sah verstört und übernächtigt aus. Sie hatte verquollene Augen. Ihr Freund war nicht in Sicht. Ich kombinierte.
    Imke setzte sich zu mir. Ihre Hände zitterten. »Was hast du mit Sarah vor?«
    »Nichts Besonderes. Zurzeit ist Send in Münster. Ich dachte, ich könnte mit ihr mal hingehen.«
    »Send.« Imke lächelte. »Da war ich schon ewig nicht mehr. Was hältst du davon, wenn wir morgen Mittag zusammen hingehen? Sarah würde es bestimmt Freude machen, mit uns beiden gemeinsam etwas zu unternehmen.«
    »Warum nicht?«, sagte ich.
     
    Auf der Rückfahrt nach Münster fragte ich Sarah: »Wo ist denn Chris?«
    »Der ist weg. Hat seine ganzen Sachen mitgenommen.«
    »Macht er eine Reise?«
    »Nein. Chris ist für immer weg, sagt Mama.«
     
    Sarah guckte irgendeinen lustigen Zeichentrickfilm im Fernsehen. Ich las in dem Buch von Wolfgang Schwarz. Der Stil erinnerte mich an die Kinderbücher, die ich Sarah manchmal vorlas. Es war viel von Mut, Verantwortung und Pflicht die Rede. Die modernen Politiker, die die Aufgaben der Zukunft begriffen hatten, ähnelten den Rittern an König Artus’ Tafelrunde. Die bösen Riesen, Drachen und Geister,

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