Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
möglich, dass Sie sich irren.«
»Nein. Aber es kann sein, dass die Intrige, die sich gegen ihn – vielleicht auch gegen mich – richtet, erfolgreich ist.« Er blickte ernst einem Rauchring hinterher. »Ich sage Ihnen was, Herr Wilsberg: Die Welt wird dadurch nicht untergehen. Ich habe noch andere Möglichkeiten. Selbstverständlich muss ich die Verantwortung übernehmen und mich aus der Politik zurückziehen. Nach einer gewissen Schamfrist könnte ich dann die vielfältigen Beziehungen nutzen, die ich zur Wirtschaft habe, insbesondere durch die Familie meiner Frau. Ich würde schon einen Job finden, der mir genügend Gestaltungspotenzial bietet.«
»Und die Zukunft Ihres Sohnes?«
Er stutzte. »Wir haben ihm einen guten Anwalt besorgt, und sollte es zu einem Prozess kommen, werden wir weitere Koryphäen hinzuziehen. Die Staatsanwaltschaft muss sich auf einiges gefasst machen. Zur Not gehen wir durch alle Instanzen.«
Ich betrachtete die halb aufgerauchte Partagas. Sie schmeckte inzwischen etwas schal. Schwarz sprang auf. »Tja, Herr Wilsberg, es war nett, mit Ihnen zu plaudern. Ich muss noch einige vertrauliche Gespräche führen. Das ist der hauptsächliche Sinn eines solchen Festes.«
Ich stand ebenfalls auf. »Vielen Dank für die Zigarre. Ich lasse es Till Geskamp sofort wissen, sobald ich etwas Entlastendes gefunden habe.«
»Warten Sie!« Er ging zum Schreibtisch und nahm ein Buch von einem kleinen Stapel. »Ich schenke Ihnen ein Buch von mir. Damit Sie wissen, für wen Sie arbeiten.« Er schlug das Buch auf und kritzelte ein Autogramm hinein, das einem Nobelpreisträger zur Ehre gereicht hätte.
Mit dem Buch unterm Arm kehrte ich auf die Party zurück. Auf dem Cover war ein Foto von Wolfgang Schwarz, die geschönte Version. Der Titel verhieß: Die Zukunft ist das Gestern von Übermorgen. Perspektiven für eine Politik des 21. Jahrhunderts .
Eigentlich wollte ich nur noch einen Happen essen, ein Glas trinken und mich auf den Nachhauseweg machen. Draußen im Garten hatte die Combo begonnen, Salsa-Klänge zu intonieren. Der Sänger trug eine karierte Jacke und eine Haartolle, die mir bekannt vorkam.
Mit dem gefüllten Teller trat ich auf die Terrasse.
Eine Frau schob sich neben mich. »Ist er nicht süß?«
»Wer? Der Rosenstrauch da vorne?«
»Nein. Götz Alsmann.«
»Ich steh nicht auf Männer mit Haartolle. Die machen das Kopfkissen so schmierig.«
Die Frau lachte. » Mir würde er gefallen. Seitdem er abgenommen hat, sieht er richtig gut aus.«
Ich betrachtete sie zwischen zwei Bissen. Für ihre schätzungsweise fünfundvierzig Jahre hatte sie sich recht gut gehalten.
Sie bemerkte meinen Blick und konterte ihn mit einem eindeutigen Flirtangebot. »Sind Sie allein hier?«
»Ja.«
»Sie sehen nicht aus wie ein Geschäftsmann oder Politiker.«
»Vielleicht bin ich Künstler.«
»Nein, das glaube ich nicht. Sie sehen aus, als müssten Sie hart für Ihr Geld arbeiten.«
»Das stimmt. Ich bin … Sicherheitsberater.«
»Und Sie beraten Wolfgang Schwarz in Sicherheitsfragen?« Schon hatte sie mich in der Zange.
»So in etwa.«
»Verstehe, Sie können nicht darüber sprechen.«
»Richtig.«
Ich stellte den Teller ab und legte das Buch von Schwarz unter den Rosenstrauch.
Die Frau beobachtete mich amüsiert. »Morgen früh wird der Gärtner eine Menge Bücher finden.«
Ich fischte ein Glas vom Tablett einer vorbeihuschenden Kellnerin. »Jetzt sollten wir zur Abwechslung mal über Sie reden.«
»Ich bin auch allein hier.«
»Wie kommt’s?«
»Politik. Mein Mann ist ein hohes Tier in der Partei. Er fürchtete, dass Schwarz versuchen würde, ihm einen Treueschwur abzuringen. Was macht man in so einem Fall? Man verschafft sich eine gute Ausrede, zum Beispiel einen wichtigen Termin im Ausland, und schickt seine Frau. So bewahrt man Distanz, ohne den Gastgeber zu brüskieren. Denn es könnte ja sein, dass sich die missliche Lage, in die sich Christian Schwarz manövriert hat, in Wohlgefallen auflöst.« Sie lächelte. »Dank Ihrer Hilfe. Ich nehme an, Christian ist das Sicherheitsproblem, bei dem Sie Wolfgang beraten?«
»Sie sind ziemlich neugierig.«
»Ja, das ist eine meiner wenigen Leidenschaften. Sie glauben gar nicht, wie entsetzlich öde das Leben einer Politikerfrau ist. Empfänge, auf denen schnarchlangweilige Reden gehalten werden. Und dauernd soll ich irgendwelche Kinderheime mit behinderten oder verhaltensgestörten Kindern besichtigen. Wenn man eins gesehen hat, hat man alle
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