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Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Titel: Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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dem die Reliquien der Nachkriegszeit ausgestellt wurden. So was wie Konrad Adenauers Dienstwagen oder eine italienische Eisdiele aus den Fünfzigerjahren.
    Von einem früheren Besuch in Bonn wusste ich, dass sich der Bundestag in der Nähe befand. Und tatsächlich musste ich meinen detektivischen Spürsinn nicht übermäßig in Anspruch nehmen, um den protzigen Glaspalast, der für die letzten Jahre der Bonner Republik gebaut worden war, ausfindig zu machen. In den Anblick des imposanten Gebäudes versunken, kam mir der Gedanke, dass es einem Land, das sich gleich zwei Parlamentsneubauten leistete, nicht wirklich schlecht gehen konnte.
    Wenige Tage vor der Bundestagswahl war das Gelände natürlich verwaist. Abgesehen von einigen ausländischen Kamerateams, deren Reporter vor dem leeren Bundeshaus standen und über Stimmungen in der Bevölkerung schwadronierten.
    Ich schlenderte zu dem Kiosk an der Ecke, kaufte mir ein Eis und fragte nach der Bootsanlegestelle. Die alte Dame, die vermutlich die demokratische Elite mehrerer Legislaturperioden abgefertigt hatte, gab bereitwillig Auskunft. Während ich zur Heussallee zurückging, lief mir Heiner Geißler über den Weg. Er schien sich auf die Nach-Kohl-Ära zu freuen.
    Ich wartete keine fünf Minuten, als zwei Busse heranrollten und etwa sechzig Menschen ausspuckten. Unter die zumeist älteren Paare in C & A-Design, die die fröhliche Lautstärke eines Kegelklubs verbreiteten, mischten sich ein paar idealistisch dreinblickende Jeans- und Turnschuhträger.
    Fast gleichzeitig erschien ein schwarzer Mercedes auf der Bildfläche, dem Wolfgang Schwarz und Till Geskamp entstiegen. Schwarz sah braungebrannt und entspannt aus. Er nickte mir kurz zu, bevor er mit staatsmännischer Geste die Besuchergruppe begrüßte. Das Lachen verstummte, Augen leuchteten auf, Unterkiefer klappten nach unten, und Hände, die gerade noch Bierdosen gehalten hatten, spendeten spontanen Applaus.
    Till Geskamp kam zu mir.
    Ich deutete mit dem Kopf auf die Polittouristen. »Alles Stammwähler, was?«
    »Schlimmer noch«, erwiderte Geskamp. »Wahlhelfer. Der Ausflug ist ein kleines Dankeschön für ihren Einsatz. Drei Tage Vollpension, inklusive Weinprobe und der obligatorischen Gespräche in Ministerien. Auf Kosten des Bundestages, versteht sich.«
    Wir gingen an Bord eines der drei Schiffe, die am Rheinufer lagen. Kaum hatte der Letzte aus der Besuchergruppe das Boot betreten, wurde die Planke hochgezogen, und der Kahn legte ab.
    »Hier werden täglich bis zu zwanzig Gruppen durchgeschleust«, erklärte Geskamp. »Da ist alles genau getimed.« Er stellte mir eine junge und gut aussehende Frau vor, die die Wahlhelfer angeführt hatte. »Karin Uphoff von unserem Bonner Büro. Sie ist für Wolfgangs Besuchergruppen zuständig.«
    Karin Uphoff schüttelte mir freundlich die Hand. »Ich dachte, ich lerne hier was über Politik. Dabei bin ich nur eine bessere Reiseleiterin.«
    Geskamp lachte. »Allein in dieser Legislaturperiode haben wir zweitausend Leute nach Bonn und Berlin gebracht. Scherzhaft sprechen wir schon vom Reiseunternehmen Schwarz. Aber es lohnt sich. Die Menschen sind Wolfgang dankbar und wirken als Multiplikatoren in der Bevölkerung.«
    Die Tische im Schiffsinneren waren beladen mit Schüsseln, Platten und Flaschen. Es gab Kartoffelsalat, Würstchen und Schnittchen.
    Geskamp zeigte auf einen Fenstertisch. »Du sitzt bei Wolfgang, Karin und mir. Dann können wir noch ein bisschen über die Strategie reden.«
    Der Bundestagsabgeordnete, der ein kurzes Bad in der Menge genommen hatte, stand jetzt vor mir und ergriff meine rechte Hand mit beiden Händen. Seine tiefe Stimme zitterte salbungsvoll: »Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Herr Wilsberg. Sie haben nicht nur meinen Sohn, sondern auch meinen Arsch gerettet.«
    Fast wäre mir warm ums Herz geworden, hätten seine kalten grauen Augen nicht durch mich durchgeblickt.
    Das Schiff stampfte rheinaufwärts, Richtung Bad Godesberg. Draußen war es dunkel geworden, und von der Landschaft war nicht mehr zu erkennen als eine Perlenkette von Lichtern. Angestrahlte Hotels und Burgruinen bildeten kleine Lichtinseln, an denen man erkennen konnte, dass wir uns tatsächlich bewegten.
    »Ich halte noch schnell eine kleine Rede«, sagte Schwarz. »Ihr könnt schon mal anfangen.«
    Während ich mir Würstchen und Kartoffelsalat auf den Teller schaufelte, eilte der Ministerkandidat zu einer lang gestreckten Theke, hinter der etliche
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