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Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Titel: Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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zurück und setzte seine erloschene Churchill erneut in Brand. Er spuckte einen Tabakkrümel auf den Boden. »Das, verfluchte Scheiße, sind die Probleme, mit denen sich Regierungskommissionen hinter verschlossenen Türen beschäftigen, worüber sich Krisenstäbe bei der NATO den Kopf zerbrechen. Es gibt nicht viele Möglichkeiten, eine Lage zu steuern. Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Geschenke und Druck. In Demokratien versucht man, die Menschen durch Geschenke einzubinden, Sozialsysteme, Arbeitsbeschaffungsprogramme, all das. Hier ist, auch in den westlichen Ländern, eine Grenze erreicht, die Sozialsysteme sind nicht mehr aufrechtzuerhalten. Diktaturen reagieren in der Regel mit Druck, Überwachung der Bevölkerung durch Polizei, Geheimdienste und Spitzel. Aber auch das funktioniert nur bis zu einem gewissen Punkt, siehe DDR, Rumänien, Ägypten, Algerien. Und was kommt dann? Das totale Chaos.« Schwarz hob triumphierend seine Zigarre. »Ich prophezeie Ihnen für die nächsten Jahre eine Reihe von chaotischen Zusammenbrüchen, Millionen von Flüchtlingen werden über den Globus vagabundieren.« Er hielt inne und fuhr leiser fort: »Davon erzählen wir dem Wahlvolk kein einziges Wort. Wir reden von Aufschwung, Mehrbeschäftigung, davon, dass bald alle ein paar Mark mehr in der Tasche haben.«
    Er lachte in sich hinein. »Ich auch. Ich spiele den Optimisten, weil es das ist, was die Leute hören wollen.«
    »Und das ist ja auch, auf eine Art, die Wahrheit.« Geskamp hatte sich entschlossen, die Situation zu retten. » Worst case -Szenarios sind dazu da, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Doch solange das Schreckliche nicht eintritt, wäre es verkehrt, die Menschen damit zu ängstigen. Im normalen politischen Alltag geht es darum, kleine Verbesserungen anzustreben. Und genau das versprechen wir im Wahlkampf.« Er schaute Schwarz eindringlich an. »Nicht wahr, Wolfgang?«
    Der Ministerkandidat atmete schwer. Dann schüttelte er den Kopf, als würde er ihn unter kaltes Wasser halten, knipste sein Lächeln an und sagte: »Du hast vollkommen recht, Till.«
    Irgendwo südlich von Bad Godesberg wendete der Dampfer. Rheinabwärts ging es erheblich schneller.
    Ich schaute zu Karin Uphoff. Sie hielt den Kopf gesenkt, auf ihren Wangen glühten rote Flecken. Es sah so aus, als hätte sich ihr Idol gerade in eine Fledermaus verwandelt.
     
    Als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, schob mir Till Geskamp drei Tausendmarkscheine in die Jackentasche. »Das ist die Erfolgsprämie. Wenn alle Pressetermine erledigt sind, kriegst du noch mal zwei.«
    Ich grinste. »Du meinst, wenn ich die Pressetermine zu deiner Zufriedenheit erledige.«
    »Versteh mich nicht falsch! Wolfgang hat heute einfach zu viel getrunken. Das, was er gesagt hat, darfst du nicht für bare Münze nehmen.«
    »Seine Ausführungen über das Ende der Zivilisation fand ich äußerst realistisch.«
    »Ja, aber …«
    »Du möchtest nicht, dass sich seine Ansichten bei den Journalisten herumsprechen. Sei unbesorgt! Ich werde mein Wissen für mich behalten.«
    Geskamp atmete auf. »Danke!« Er klopfte mir auf die Schulter. »Nicht, dass du das ganze Geld heute Nacht verjubelst. Wir brauchen dich morgen früh in alter Frische.«

X
     
     
    Praktischerweise fand die Pressekonferenz in demselben Hotel statt, in dem ich übernachtet hatte. Es war ein sehr nobles und teures Hotel, die Bedienung der verschiedensten elektrischen Geräte und Lichtanlagen sowie des Whirlpools im Badezimmer ähnelte einem Intelligenztest, bei dem nur die Klügsten und Erfindungsreichsten eine Chance haben.
    Der große Konferenzsaal bot einen prächtigen Ausblick auf die Rheinterrassen. An seiner Rückseite war ein kleines Podium improvisiert; hinter den drei Stühlen, auf denen Schwarz, Geskamp und ich Platz nahmen, hing in sechsfacher Ausfertigung das überdimensionale Konterfei von Wolfgang Schwarz mit der Aufschrift Nicht locker lassen! Schwarz kommt .
    Ungefähr zwanzig schreibende Journalisten waren erschienen, dazu ein Dutzend Fotografen und vier Kamerateams, die uns in ihrem Scheinwerferlicht grillten.
    Schwarz trug seine professionelle Gelassenheit und Souveränität zur Schau. Wenn ihm die gestrige Sauferei einen Kater eingebracht hatte, dann ließ er sich davon nichts anmerken. Auch die enorme Hitze konnte sein strahlendes Lächeln nicht ankratzen. In seinem hellgrauen Anzug und dem weißen Hemd, das mit einer leuchtend gelben, rot gepunkteten Krawatte

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