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Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Titel: Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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Weißuniformierte darauf warteten, das Geschirr wieder abräumen zu dürfen.
    Schwarz ließ sich ein Mikrofon geben und postierte sich auf der Treppe, die zum Oberdeck führte: »Einen schönen guten Abend, liebe Freunde! Freundinnen sage ich besser nicht, sonst denkt jeder an Bill Clinton.«
    Ungefähr die Hälfte schnallte den Witz.
    »Als Wahlhelfer und Wahlhelferinnen , das darf ich sagen, habt ihr euch in den letzten Wochen für mich krummgelegt. Ich weiß, was es bedeutet, in Fußgängerzonen und vor Supermärkten zu stehen, Zuspruch, aber auch heftige Kritik zu ernten. Ich hoffe, der Besuch hier in Bonn war eine kleine Entschädigung für die Anstrengungen. Wir haben uns jedenfalls bemüht, euch den Aufenthalt so angenehm und so informativ wie möglich zu gestalten.«
    Mehr oder weniger gichtige Finger trommelten auf die resopalbeschichteten Tische.
    »Nun, auch für mich ist der heutige Tag ein besonderer«, fuhr Schwarz fort. »Ihr habt vielleicht von den Vorwürfen gehört, die gegen meinen Sohn erhoben wurden. Die Zeit der Ungewissheit, das könnt ihr mir glauben, war für mich als Vater alles andere als erquicklich.«
    Schwarz machte eine Pause. Eine fallende Gabel durchschnitt die Grabesstille wie ein Glockenschlag. Man konnte hören, wie alle die Luft anhielten.
    »Aber vor wenigen Stunden …«, er holte tief Luft, »… ist der Beweis für die Unschuld meines Sohnes erbracht worden. Eine große Last ist von meiner Familie und von meinen Schultern genommen worden. Halt!«, unterbrach er den aufbrandenden Beifall. »Applaudieren Sie nicht mir! Applaudieren Sie dem Mann, der die Wahrheit ans Licht gebracht hat!« Sein Arm schnellte in meine Richtung. »Dem Privatdetektiv Georg Wilsberg aus Münster. Was die Polizei nicht vermochte, hat er in wenigen Tagen geschafft.«
    »Steh auf!«, zischte Geskamp.
    Ich stand auf und verbeugte mich nach allen Seiten. Dafür, dass der Fall so leicht zu lösen gewesen war, heimste ich eine Menge Lorbeeren ein.
    »Ich will euch nicht länger vom Essen und Trinken abhalten«, dröhnte Schwarz’ Stimme durch die Lautsprecheranlage. »Wenn der nächste Sonntag das bringt, was wir erhoffen und erwarten, dann bin ich vielleicht bald, toi, toi, toi, in einer Position, in der ich eine Menge für Münster und das Münsterland bewegen kann. Ihr versteht schon, was ich meine. Vielen Dank, dass ihr mir zugehört habt.«
    Er wartete, bis der Beifall verebbte.
    »Und noch eins: Eigentlich müsstet ihr Getränke, die nicht auf dem Tisch stehen, aus eigener Tasche bezahlen. Heute nehme ich alles auf meinen Deckel. Ihr könnt trinken, was und wie viel ihr wollt.«
    Das Schiff tobte.
    »Na, wie fühlt man sich als Held?«, fragte mich Schwarz, als er sich an unseren Tisch setzte. Er schob seinen Teller beiseite und bestellte beim Kellner, der hier vermutlich Steward hieß, einen doppelten Whisky. »Keine schlechte Rolle, wie?«
    »Ich habe schon schlechtere gespielt«, gab ich zu.
    »Und morgen wird’s noch doller: Fotografen, Fernsehkameras, die überregionale Presse. Spätestens übermorgen kennen dreißig Prozent der erwachsenen Bevölkerung Ihren Namen.«
    »Und zwei Wochen später haben sie ihn wieder vergessen.«
    Schwarz grinste und zog ein silbernes Zigarrenetui aus der Jackentasche. »So ist das Leben. Bei dem einen oder anderen, der ein großes Problem hat, wird Ihr Name hängen bleiben. Darauf kommt’s doch an.« Er klappte das Etui auf. »Eine Zigarre?«
    Ich kaute an einer Lachsschnitte. »Nach dem Essen.«
    Zwei bombastische, braune Stängel kamen zum Vorschein. Schwarz reichte mir einen. »Ich dachte, eine Ashton Churchill wäre heute angemessen.« Er spreizte den Mittel- und Zeigefinger der linken Hand. Churchills Markenzeichen: V wie Victory.
    Der Politiker zündete seine Churchill an, kippte den doppelten Whisky und bestellte einen neuen. »Wie sieht die Lage aus, Till?«, wandte er sich an seinen Referenten.
    Geskamp schluckte hastig. »RTL und die Öffentlich-Rechtlichen drehen bei der Pressekonferenz. Pro Sieben möchte ein Background-Interview mit Wilsberg nach der PK. Die planen einen Beitrag für Taff. Aus dem Leben eines Privatdetektivs oder so. Der WDR überlegt noch, ob er euch beide in die Aktuelle Stunde einlädt.«
    »Was heißt überlegt ?« Schwarz runzelte die Stirn. »Soll ich den Fernsehdirektor anrufen?«
    »Ich glaube, das klappt auch so. Die von der schreibenden Zunft erscheinen ziemlich komplett.« Geskamp zupfte einen Computerausdruck aus seiner
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