Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
der Sohn von einem bekannten Politiker ist. Das hat ihr ja besonderen Spaß gemacht. Sie hat gesagt, wenn sie die Geschichte an die große Glocke hängt, dann ist der Alte erledigt. Aber davon, dass sie ihn erpresst hat, weiß ich nichts. Denn überlegen Sie mal: Hätte sie den Alten ausnehmen wollen, wäre sie doch nicht zuerst zur Polizei gegangen, oder?«
An dem Punkt war ich auch nicht weitergekommen.
»Krieg ich jetzt meinen Stoff zurück?«
»Nicht sofort.«
»He, Sie haben es mir versprochen.«
»Wer sagt mir, dass Sie nicht morgen Ihre Meinung wieder ändern und bei Ihrer alten Aussage bleiben? Passen Sie auf, Prückner! Sie gehen morgen früh zur Polizei und geben das zu Protokoll, was Sie mir gerade erzählt haben. Sobald ich die Bestätigung habe, kriegen Sie Ihren Stoff zurück. Falls Gudrun Sie nicht wegen Körperverletzung anzeigt, und das scheint mir nach Lage der Dinge ziemlich unwahrscheinlich, haben Sie nichts zu befürchten.«
»Scheißkerl«, murmelte er.
Ich tat so, als hätte ich es nicht gehört.
Frankas Auge schillerte in allen bläulichen Schattierungen, aber sie versicherte standhaft, dass es nicht wehtue. Eine Detektivin kennt eben keinen Schmerz.
Meine halbherzigen Versuche, ihr einen bezahlten Krankentag zu gewähren, verliefen ergebnislos. Sie wollte unbedingt dabei sein, wenn ich Gudrun Benningdorf zur Rede stellte. Letztlich war ich darüber nicht unglücklich. Mit einer Zeugin fühlte ich mich sicherer, denn nach allem, was ich über sie gehört hatte, kam mir die Benningdorf irgendwie unheimlich vor.
Dann passierte das, was neunzig Prozent des Detektivalltags ausmacht: Wir mussten im Auto warten, weil Gudrun an der Uni oder wo auch immer war. Immerhin gab es gegenüber vom Studentenwohnheim einen kleinen Laden, mit dessen Vorräten wir die Wartezeit überbrückten. Seitdem Franka wieder Milchprodukte zu sich nahm, entwickelte sie einen enormen Appetit.
Nach dem dritten großen Joghurtbecher konnte ich mir eine entsprechende Bemerkung nicht verkneifen.
»Na und?«, konterte meine Assistentin. »Der Arzt hat es mir empfohlen.«
»In dieser Menge?«
Sie verzog das Gesicht. »Findest du etwa, dass ich dick bin?«
»Noch nicht. Aber wenn du so weitermachst …«
»Sehr charmant, Georg. Ich liebe deine Komplimente.«
»Charme gehört zur Grundausstattung eines Detektivs«, grinste ich. »Damit öffnen sich alle Türen.«
»So, wie du es beim ersten Mal geschafft hast, mit Gudrun Benningdorf zu reden.«
Eins zu null für Franka.
Am frühen Nachmittag kam Gudrun angeradelt. Sie war sittsam gekleidet und sah ziemlich harmlos aus. Gar nicht wie der Vamp, der jungen Männern das Herz in die heruntergelassene Hose rutschen ließ.
Wir gaben ihr zwei Minuten Vorsprung, bevor wir an ihr Apartment klopften.
»Wer ist da?«, fragte sie durch die verschlossene Tür.
Franka sagte ihren Namen.
»Ist der andere auch dabei?«
»Ja«, bestätigte ich.
»Verschwinden Sie! Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
»Ich habe Ibrahim Garcia getroffen«, verkündete ich laut.
Schweigen.
»Und mit Sebastian Prückner geredet. Prückner war heute bei der Polizei und hat seine Aussage korrigiert.«
»Sie bluffen doch nur.«
»Rufen Sie ihn an!«
Schritte entfernten sich. Ich presste ein Ohr ans Holz und hörte, dass die Benningdorf telefonierte. Von Hauptkommissar Stürzenbecher wusste ich, dass Prückner seinen Teil der Abmachung eingehalten hatte. In diesem Moment brach Gudrun Benningdorfs Lügengebäude zusammen.
Als sie die Tür öffnete, wirkte sie erstaunlich gefasst. »Ich habe Sie unterschätzt. Sie sind ein noch mieseres Schwein, als ich dachte.«
Ich ließ mir meinen Stolz nicht anmerken. »Dürfen wir eintreten?«
Ihr Blick wanderte zu Franka. »Wer hat dich denn so zugerichtet, Kleine?«
»Spielt keine Rolle«, sagte Franka lässig. »Ein anderer Fall.«
Benningdorf verschränkte die Arme. »Was wollen Sie von mir? An Ihrer Stelle würde ich zum alten Schwarz gehen und den Judaslohn kassieren.«
»Es gibt da ein paar Ungereimtheiten, zu denen wir Ihre Meinung hören möchten«, erklärte ich.
»Sie sind einer von den Gründlichen, was?« Ein verächtliches Lächeln huschte über ihr bleiches Gesicht. »Na schön. Ich gebe Ihnen fünf Minuten.«
Die winzige Wohnküche war mit drei Menschen fast überfüllt. Franka und ich setzten uns auf ein billiges Zweisitzersofa, Gudrun nahm die dritte Sitzmöglichkeit, den Schreibtischstuhl. Die Tür zum angrenzenden
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