Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
Kind.« Erneut kamen ihr die Tränen. »Es ist so schrecklich.«
»Es tut mir sehr leid, Frau Plistor«, sagte Franka.
Die Frau lächelte sie dankbar an. »Solange die Kinder klein sind, hat man Angst, dass sie von einem Auto überfahren werden. Aber wenn sie einmal groß sind, denkt man doch nicht …«, sie stockte, »… dass man sie selber unter die Erde bringen muss.«
»Meiner Meinung nach tut die Polizei viel zu wenig«, fiel ihr Mann ein. »Mehr als drei Wochen sind jetzt vergangen, und was hat die Polizei erreicht? Nichts. Woanders werden Speichelproben entnommen, Gentests oder so was gemacht, warum nicht hier?«
Ich sagte nicht, dass in Münster und Umgebung viel zu viele Männer infrage kämen. Die genmäßige Erfassung der gesamten männlichen Bevölkerung der Bundesrepublik wäre ein Projekt für die Große Koalition.
»Hat die Polizei Ihnen gegenüber einen Verdacht geäußert?«
»Ja, sie glauben, dass es ein Serientäter war, einer, der Katarina gar nicht kannte. Sie sei ihm zufällig in die Hände gefallen.« Er spuckte die Worte verächtlich aus.
»Sie denken etwas anderes?«, bohrte ich nach.
Die Plistors guckten sich vielsagend an.
Schließlich brach es aus ihm heraus: »Wir haben jemanden in Verdacht.«
Ich spürte ein Kribbeln im Bauch. »Und wen?«
»Ihren Freund«, sagte Frau Plistor.
»Verraten Sie uns seinen Namen!«, bat ich.
»Das können wir nicht. Wir wissen nicht, wie er heißt.«
Ich sank in das Polster zurück.
»Das ist ja das Merkwürdige.« Sie spürte unsere Enttäuschung. Beinahe hätte sie sich entschuldigt. »Früher hat uns Katarina ihre Freunde immer vorgestellt. Nur diesen nicht. Sie machte richtig ein Geheimnis um ihn. Sie wollte partout nichts über ihn erzählen.«
»Nicht einmal, ob er alt oder jung ist?«
»Nein, gar nichts. Wir haben uns regelrecht ein bisschen entfremdet deswegen. Im Nachhinein tut’s mir natürlich leid, dass ich sie gedrängt habe. Vielleicht, wenn ich …«
»Mach dir keine Vorwürfe, Hilde!«, sagte Plistor. »Wir hätten es nicht verhindern können.«
Das Gespräch hing in der Luft. Ich nahm einen Schluck Wasser und suchte nach einem Ansatzpunkt.
»Etwas wissen wir allerdings über ihn«, sagte Frau Plistor leise.
Ihr Mann zerrte wie verrückt an seinen Fingern.
»Die Striemen, die Verletzungen an ihrem Rücken, die stammen nicht alle aus der Nacht, als sie …«
Ich war wie elektrisiert. »Sie meinen …«
»Ja, die stammen von ihrem Freund. Ich hab Katarina mal im Badezimmer erwischt. Da hat sie sich gerade Desinfektionsmittel auf die Wunden gerieben.«
Wir fuhren zurück in die Innenstadt.
»Denkst du, was ich denke?«, fragte Franka.
»Christian Schwarz war Katarinas Freund. Und Gudrun Benningdorf hat’s gewusst. Sie hat ihm eine Falle gestellt und anschließend den alten Schwarz erpresst. Junior dürfte seinem Papa alles gebeichtet haben. Wahrscheinlich wollte er Katarina gar nicht umbringen. Er hat nur im Liebesspiel zu lange zugedrückt. Ein bisschen Strangulieren soll das Lustgefühl steigern.«
»Ich kotze gleich«, sagte Franka.
»Jedenfalls sieht man das in vielen japanischen Filmen.«
»Wir müssen Gudrun finden«, sagte Franka.
»Ja. Bevor jemand anderes sie findet.«
XIII
Das Telefon riss mich aus dem Schlaf.
Eine fette Männerstimme sagte: »Sind Sie der Detektiv?«
Ich gähnte Zustimmung.
»Als ich Sie im Fernsehen gesehen habe, dachte ich: Den muss ich haben.«
»Und wofür?«
»Sie haben doch den Sohn von diesem Politiker rausgehauen, Sie wissen schon, der angeblich die Nutte verprügelt hat.«
»Ich fürchte, Sie haben das falsche Programm gesehen. Mein Klient hatte keine Beziehung zu einer Prostituierten.«
»Sind doch alles Nutten, ob sie sich bezahlen lassen oder nicht.«
Das Gespräch fing an, mich zu langweilen.
»Ich hab auch so ein Problem, mit einer echten, verstehen Sie. Ich steh auf die harten Sachen, ein paar Klapse und so. Aber ich bezahl auch gut dafür. Beim letzten Mal ist allerdings was schiefgegangen, die Nutte ist im Krankenhaus gelandet. Und jetzt hab ich die Bullen am Hals. He, Mann, ich kann es mir nicht leisten, ins Gefängnis zu gehen. Können Sie den Trick auch bei mir anwenden, ich meine, dass sie zugibt, dass gar nichts gewesen ist?«
Ich sagte ihm, dass ich noch nicht so tief gesunken sei, um ein Arschloch wie ihn als Klienten zu akzeptieren. Und ich wünschte ihm einen unfähigen Anwalt und einen schlecht gelaunten Richter, der ihn möglichst
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