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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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Freund unter den Kellnern um und sage ihm etwas ins Ohr. Dies ist ein gutes Mittel, die Qualität des Weins zu verbessern.
    Von den auf der Tafel stehenden Früchten das Folgende: Wer saure Trauben, Kochbirnen, recht trockene Datteln und alte Walnüsse liebt, greife munter zu, und er wird nicht enttäuscht werden.
    Man bemühe sich, zur Unterhaltung der Gesellschaft beizutragen. Thun dies dann auch andere, so belebt sich die Stimmung und es wird die Unterhaltung derart allgemein und laut, daß kein Toast mehr gehört wird. Diesen Moment benutze man selbst zu einem Toast, wenn man nichts zu sagen weiß.
    Beginnt das Auseinanderreißen der Knallbonbons, so erzähle man die Geschichte von einem bei solcher Gelegenheit ausgeschossenen Auge. Es nützt aber nichts. Dagegen kann man die Unsitte und Geschmacklosigkeit dieses Bombardements dadurch mildern, daß man die Damen in der Nähe bittet, die Knallbonbons den lieben Kinderchen mitzubringen, nachdem man zu deren Besten die Patronen aus den Papierhüllen herausgezogen und weggeworfen hat. Nützt auch dieses nicht, sondern wird das Kanonieren verlangt, so füge man sich, verzichte aber darauf, sich die Papierkappe aufzusetzen, die nach dem Schuß zum Vorschein kommt, es sei denn, daß man das dringende Bedürfnis habe, sich lächerlich zu machen.
    Erscheint der Kellner mit dem letzten Gang, mit den Zahnstochern, so sei man gentil, lege einen Thaler auf den Teller und lasse sich nicht mehr als zwei Mark fünfzig Pfennig herausgeben. Will man aber sehr vornehm sein, so giebt man gar nichts, sondern dankt herablassend.
    Wird ein Tischlied gesungen, so lobe man den Text als geistvoll, der Gelegenheit vortrefflich angemessen und hervorragend gereimt. Erst wenn man festgestellt hat, daß der Dichter nicht nebenan oder gegenüber sitzt und seine Gattin oder andere nahe Verwandte nicht in der Nähe sich befinden, sage man die Wahrheit.
    Wenn vor, während oder nach der Tafel ein Festspiel zur Aufführung kommt, so erkundige Dich rechts und links, sowie bei den vor und hinter Dir sitzenden Zuschauern nach dem Sinn der Anspielungen, die Du nicht verstehst. Damit geht die Zeit rascher vorüber. Langweilt Dich das Stück trotzdem und findest Du es schlecht, so unterlasse nicht, Dich an dem Applaus, dem Dacapo- und Hervorruf zu beteiligen, um nicht als Dummkopf oder als Störenfried bezeichnet zu werden. Ist das Stück von Dilettanten gespielt worden, so sage man ihnen aus demselben Grunde, wenn sie nach dem Schluß wieder in der Gesellschaft erscheinen, man habe selten so meisterhaft darstellen sehen, und man frage sie auch, weshalb sie nicht zur Bühne gehen.
    Wird die Glocke von Schiller oder ein anderes unterhaltendes längeres Gedicht deklamiert, so beteilige man sich lebhaft an dem Schreien nach Ruhe. Dies macht gewöhnlich solchen Spektakel, daß man das bereits bekannte Gedicht nicht hört.
    Ein Tänzchen pflegt den Abend zu beschließen oder, wie es offiziell heißt: das Fest zu krönen. Wenn man nun gewillt ist, nach dem bekannten lateinischen Lehrsatz, statt herumzustehen, tausend Schritte zu gehen, so wähle man eine Dame, welche das gleiche zu unternehmen wünscht, und schließe sich mit ihr der Polonaise an. Beginnen aber die Riesenunternehmen, welche nach Tisch sich besonders für gewissenhaft übende Akrobaten eignen, so namentlich das in gebückter Körperhaltung auszuführende Passieren des von den Paaren gebildeten Tunnels, so sage man seiner Dame, diese Tour mache korpulent, worauf sie sich gern auf einen der an der Wand stehenden Stühle transportieren läßt.
    Ist man älter als ein halbes Jahrhundert und hat man das Bedürfnis, sich lächerlich zu machen, so tanze man nach der Polonaise einen Walzer mit einer jungen Dame. Ein einziger Walzer genügt zur Erreichung des angegebenen Zwecks. Dies merkt man sofort, wenn die junge Dame sagt: »Sie tanzen noch sehr gut.« Man soll aber überhaupt nicht tanzen, wenn man noch sehr gut tanzt.
    Für den Kotillon engagiere man, wenn man kein Freund oder Meister der Unterhaltung sein sollte, eine Dame, deren Beliebtheit bekannt und die deshalb meist auf Extratouren unterwegs ist.
    Ist man jung, in ernährender Position und nicht gerade von abschreckendem Äußeren, so sei man während des ganzen Abends vorsichtig und aufmerksam, sonst ist man bald verlobt. Von Vereinsfesten führt eine elektrische Bahn zu allen Standesämtern. Das junge Mädchen im Ballkostüm, das höchst bescheiden auftritt, nicht bis drei zählen zu

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