Der Moderne Knigge
der von einem Makartbouquet [Fußnote: [Einer allgemeinen, aber nicht lange andauernden Beliebtheit erfreute sich der nach dem Wiener Maler Hans Makart benannte Makartstrauß aus getrockneten Gräsern, Palmwedeln und Blüten- wie Fruchtständen mancher Kompositen, die man schließlich auch noch färbte, vergoldete und versilberte.]] erreicht worden ist. Er hat lange daran gelitten. Verlassen wir dies düstere Bild!
Selbst nehme man natürlich kein Bazarlos geschenkt. Niemals gewinnt man etwas Brauchbares, denn unter den größeren Gewinnen befindet sich weder eine Zehnpfennigmarke, noch ein Pferdebahnbillet.
Bedeutend weniger tumultuarisch und gefahrvoll gestaltet sich das in irgend einem städtischen Prunk-, Pracht- oder Festsaal stattfindende
Vereinsfest.
Wer Mitglied eines Vereins ist, hat auch schon eines der Gründungs- und Jubiläumsfeste dieses Vereins mitgemacht, und es giebt wohl heute keinen Deutschen, der nicht Mitglied eines oder mehrerer Vereine ist.
Man hüte sich, in das Festkomitee gewählt zu werden. Es ist dies das einzige Mittel, vor dem Vorwurf bewahrt zu bleiben, daß man nichts gethan, aber alle vorkommenden Fehler verschuldet habe.
Ist man aber Mitglied des Festkomitees geworden, so versäume man deshalb alle Geschäfte, widme sich ganz den Aufgaben des Festes, arbeite unausgesetzt, komme nicht zu Atem, stürze sich in Unkosten und thue, was man kann. Man wird dennoch nicht das Wohlgefallen des Vereins erringen.
Im Festkomitee befinden sich einige Mitglieder, welche absolut nichts thun. Vor diesen nehme man sich in Acht, denn sie haben an der Thätigkeit der Eifrigen immer etwas auszusetzen Man zeige ihnen nicht, daß man thätig ist, denn man wird sonst von ihnen als ein aufdringlicher Streber und als ein Mensch bezeichnet, der sich fortwährend vordrängt.
Will man recht vernünftig sein, so mache man sich als Mitglied eines Vereins niemals verdächtig, ein organisatorisches Talent zu besitzen. Dann entgeht man mit ziemlicher Sicherheit jeder Wahl in das Festkomitee. Wird man aber gewählt, so erkranke man und lehne mit großem Bedauern die Wahl ab.
Wenn man kein Redner ist, so weiche man bescheiden, aber energisch der Aufforderung aus, eine Festrede zu halten. Dies geschieht allerdings selten, aber es ist doch zum Gelingen des Festes nützlich, wenn dann und wann eine Rede von einem wirklichen Redner gehalten wird.
An die Festtafel setze man sich so, daß man von den Rednern sehr weit entfernt sitze. Wird dann gesprochen, so hat man sich nur zu erheben, wenn alles zum Hochrufen und Anstoßen sich erhebt, und sich wieder zu setzen. Dies vereinfacht die Tafelpflichten wesentlich.
Aber auch, wenn man die Rede deutlich gehört hat, lobe man sie. Denn jeder Tadel wird dem Redner hinterbracht und vermehrt die Zahl der Feinde um einen. Glaube man nicht, daß der Tadel verschwiegen bleibt. Denn am allerwenigsten schläft der Verräter bei Tisch.
Ist die Tafel sehr groß, so mache man keine Ansprüche an das Menu, sondern halte sich an den Käse, der immer gut ist.
Nehmen Damen an der Tafel teil, so sei man vorsichtig in der Wahl des Unterhaltungsstoffs, namentlich den Damen gegenüber. Ich rate dies aus trüben Erfahrungen an. So beging ich einmal die Unvorsichtigkeit, in einem unbewachten Augenblick den Namen Ulrike v. Levetzow in die Unterhaltung zu werfen und dabei Goethes zu erwähnen. Ich werde dies niemals wieder wagen. Auf das Antlitz meiner Dame lagerte sich alsbald die Furcht vor einem litterarischen Gespräch derart verzerrend und aus den schönen Augen blitzte es derart erschreckt, daß ich sofort über das Vanilleeis sprach, welches gerade herumgereicht wurde, und dadurch einer höchst peinlichen Scene ein Ende machte. Die Dame aber ist meine Gegnerin geblieben. Wie ich neulich hörte, hat sie behauptet, daß man ihr verraten habe, schon mein Großvater väterlicherseits sei ein Trinker gewesen. (Mein Großvater väterlicherseits hat nie getrunken.)
Was den Wein an der Tafel betrifft, so handelt es sich um eine Vertrauenssache, insofern man sicher vertrauen kann, daß er nichts oder wenig taugt. Man bestelle also Wein und trinke ihn nicht, dann richtet er keinen Schaden an. Unter den bei Tisch erscheinenden Getränken pflegen diejenigen Wässer, welche beim Öffnen des Patentverschlusses eine gewisse Unruhe verraten und mit Perlen um sich werfen, das Vertrauen zu verdienen, das man in sie setzt. Kann man aber nicht ohne Wein existieren, so sehe man sich nach einem alten
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