Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
begonnen, wohlwollend nickend an seiner Pfeife zu saugen, da er von nichts anderem ausging, als dass Lewis zustimmen würde. Nun verschluckte er sich am Tabakrauch und hustete ihn in kleinen Wölkchen stoßweise aus. „Sie wollen was?“, brachte er mühsam hervor, während Lewis ein wenig hilflos und betreten in seinem Stuhl saß. Dennoch, es war heraus, und damit war er ’ s zufrieden. Wenn er auch nicht mit solchen Folgen gerechnet hatte. Böttiger hatte seinen Hustenreiz erfolgreich bekämpft und wollte mit kratziger Stimme eine ebenso kratzige Entgegnung ausstoßen, als er sich seines pädagogischen Einfühlvermögens entsann. Deshalb sagte er, so sanft es ihm irgend möglich war: „Aber junger Master Lewis, warum denn nicht?“
Der Engländer setzte sich etwas hölzern auf und sprach mit dem, was ihm als feste Stimme erschien, sein zurechtgelegtes Sätzlein: „Ich fürchte, dass mich allzu viel gesellschaftliche Verpflichtungen und Amüsements von meinen Studien abhalten könnten. Mein Vater setzt einiges auf mich, da er mich für den diplomatischen Dienst vorgesehen hat.“
Jetzt schien ein leichtes Triumphlächeln über Böttigers Mundwinkel zu fliegen. „Aber nichts könnte Sie besser in diplomatischen Gepflogenheiten schulen als eben der Umgang mit nämlichen Persönlichkeiten!“ Böttiger bemerkte einen Tabakkrümel auf seinem Knie und wischte ihn fort.
Lewis verfolgte die Geste mit Missmut. Er fühlte seine Bitte ebenso weggefegt, mit einem Handstreich. Es wallte heiß in ihm auf, dass ihm der Kopf schmerzte. Auf keinen Fall wollte er sich vereinnahmen lassen, und aus diesem Grunde griff er zu gravierenden Argumenten. Zumindest schob er diese vor, weil er wusste, sie würden ihre Wirksamkeit nicht verfehlen.
„Ich bedauere, Ihnen gestehen zu müssen, dass ich Ähnliches bereits in Paris, in Frankreich, erleben musste. Ich spreche also aus Erfahrung, was …“
„Aber junger Master Lewis“, rief Böttiger aus und stach mehrmals mit dem Pfeifenstiel in die Luft. „Sie wollen doch nicht etwa einen deutschen Fürstenhof mit …“
„… was meine Affinität zum Leichtleben angeht, wenn mir nur die Gelegenheit dazu gegeben wird.“ Lewis hatte Böttiger mit pädagogischen Argumenten überzeugen wollen, aber nicht an dessen Patriotismus gedacht. Deshalb war er ihm etwas schroff ins Wort gefallen, und das hatte gesessen. Lewis begutachtete das virtuose Stirnrunzeln, das Böttiger zustandebrachte, mit wachsendem Interesse, und um es nicht vorzeitig zum Erlahmen zu bringen, fuhr er fort: „Um ein bekanntes Sagwort abzuwandeln: Nicht nur für den Vater, für das Leben lerne ich.“
Der Pädagoge war offenkundig beeindruckt, versuchte aber, einen weiteren Köder auszubringen. „Aber was wird Ihre Frau Mutter sagen, wenn Sie gar nichts vom Hofe berichten können? Schließlich ist so etwas für Damen immer interessant.“
„Ich muss zu meinem Leidwesen erwähnen, dass ich keine Mutter mehr habe.“ Lewis ’ Miene blieb seltsam starr bei dieser Äußerung, was Böttiger auf die unangenehme Erinnerung zurückführte. „Ich fühle mit Ihnen“, sagte er knapp und suchte nach einem unverfänglichen Thema, auf das es sich umschwenken ließ.
Lewis kam ihm zuvor. „Weiterhin möchte ich Sie ersuchen, nein, bitten, mir eine eigene Bleibe hier in Weimar suchen zu dürfen. Ich denke, dass die Abgeschiedenheit mich noch leichter auf meine Studien …“
„Sie wollen nicht bei uns wohnen?“, fragte Böttiger etwas schärfer, als angemessen war.
„Bitte verstehen Sie es nicht als Ablehnung Ihrer Gastfreundschaft, es ist nur so …“
Böttiger blickte nachsichtig. „Nein, junger Master Lewis, Sie müssen nicht erneut darauf hinweisen. Ich habe verstanden.“ Er erhob sich und lächelte. Lewis tat es ihm gleich, zumindest im Aufstehen. Böttiger legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. „Ich wünschte, alle meine Schüler wären so versessen darauf, zu lernen und zu studieren. Ich will Ihrem Wunsch entsprechen, wenn auch meine Frau enttäuscht sein wird ...“
„Das ist sie allerdings“, sagte Eleonore Böttiger von der Tür her. Die beiden Männer drehten sich um und sahen sie mit einem kleinen Tablett mit zierlichen Gläsern und einer gedrungenen Flasche unter dem Türsturz stehen.
„Ich dachte, ein Glas Madeira würde das Willkommen abrunden ... so wird leider ein Abschied daraus.“ Sie schaute verdrossen.
„Aber nicht doch, Frau Böttiger“, beeilte sich Lewis zu sagen,
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