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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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auf eine Entlohnung wartete, machte den Fehler, in diesem Augenblick sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen zu verlagern. Ein Dielenbrett knarrte. Der Kopf der Witwe Recknagel flog herum. „Was treibst du noch hier? Scher dich fort, Bursche! Geh!“ Sie wedelte mit der roten, schwieligen Hand, und der Junge trollte sich.
    Lewis fing einen enttäuschten Blick von ihm auf. „Nur einen Moment, bitte ...“, sagte er vorsichtig und spreizte beschwichtigend die Finger. Unter den scharfen Augen der Witwe stiefelte er aus der Stube und rief die Treppe hinab: „He, Junge!“
    Der blieb am Fuß der Stiege, schon halb aus der Tür, stehen und wandte sich um. Lewis griff in die Westentasche und förderte eines der noch wenig vertrauten Geldstücke zutage. Im schwachen Licht glaubte er, einen kupfernen Glanz zu erkennen, dann schnipste er es hinab. Geschickt fing es der Junge auf, blickte skeptisch erst auf seine Hand, dann auf den jungen Engländer. Er strahlte über das hagere Gesicht.
    „Oh, vielen Dank, der Herr!“ Er dienerte etwas unbeholfen. „Stets zu Diensten.“ Die zweite Verneigung geriet schon besser. „Schicken Sie nur nach Justus!“ Dann verschwand er auf die Gasse hinaus. Lewis schwor sich, sobald als möglich seine Münzen zu ordnen und sich deren genauen Gegenwert einzuprägen. Er klimperte versonnen mit dem Inhalt seiner Westentasche. Dann wandte er sich um und stieß beinahe mit der Witwe zusammen, die sich lautlos genähert hatte. Lewis erschrak, die Witwe Recknagel nicht.
    „Sie sollten Ihr Geld beisammenhalten, junger Herr aus England“, schalt sie in allzu mütterlichem Ton, der Lewis ein unangenehmes Ziehen im Magen empfinden ließ. „Was braucht dieser Bengel bare Münze, wenn er sich nützlich machen kann?“ Sie blickte interessiert auf Lewis’ Finger, die noch immer in dessen Westentasche steckten. „Dabei fällt mir ein, dass wir noch über gewisse geldliche Dinge zu sprechen haben, kommen Sie mal mit ...“
    Lewis seufzte leise und malte sich im Geiste aus, wie der Bluthund nicht allein nach Blut, sondern auch nach Barem dürstete.

    Schließlich fiel Matthew Lewis auf das Bett und atmete die süße Luft der Entspannung und der Einsamkeit ein. Die Witwe Recknagel war mit Geld und guten Worten ruhiggestellt, und Lewis erhoffte sich, nun für einige Stunden die Strapazen des letzten Reisetages, ja der ganzen Reise von sich abfallen lassen zu können. Er zog die Stiefel aus, ließ sie achtlos zu Boden fallen, warf den Rock über den Stuhl und sank zurück auf die Laken. Die Hände verschränkte er hinter dem Kopf und studierte die kleinen Risse in den gekalkten Wänden und der Decke über ihm. Vom Fenster fiel Licht herein, das sich langsam immer wärmer färbte und schließlich, mit der sinkenden Sonne, zu schwinden begann. Lewis fielen die Augen zu. Hinter seinen Lidern begannen Schatten zu tanzen. Kutschen, Kühe, Münzen, Scherben und ...
    Mit einem Schlag, der nicht allzu heftig gewesen war, den jungen Mann aber umso heftiger aufschrecken ließ, flog die Tür auf, und die Witwe trat in den halbdunklen Raum. In ihren Händen hielt sie zwei kleine Leuchter mit je einer flackernden Kerze, die ihr grämliches Gesicht von unten in schreckliche Schatten tauchten. „Es ist dunkel, und ich wollte Ihnen ein Licht bringen“, sagte sie und ging zum Sekretär, um dort einen der Leuchter abzustellen. Sie fuhr mit der Hand über die lederbezogene Schreibfläche.
    „Ich habe gehört, Sie wollen studieren und schreiben.“
    Lewis nickte, ohne dass sie es hätte sehen können. Ihr Tonfall war ungewohnt gutmütig.
    „Der Sekretär hier gehörte meinem Mann, der immer fleißig und ehrbar war.“ Sie wandte sich Lewis zu, der im Dunkel seiner Bettnische den Kopf einzog, als sie ihn anfunkelte. Nicht nur beleuchtete die Kerze in ihrer Hand erneut die schauerlichen Gesichtszüge, auch ließ das Licht in ihrem Rücken einzelne Strähnen ihres nicht sorgfältig unter die Haube gesteckten Haares wie glühend erscheinen. Weit weniger warm klang nun wieder ihre Stimme: „Ich hoffe, Sie wissen dies zu ehren und würdigen.“
    Lewis räusperte sich. „Sicherlich“, brachte er hervor, die Kehle vom kurzen Schlaf etwas trocken.
    „Das will ich hoffen“, brummte die Witwe. Dann ging sie zur Tür zurück. „Gute Nacht!“
    Lewis hörte ihre Schritte auf der Treppe und sah im unteren Türspalt das Licht ihrer Kerze verschwinden. Er erhob sich und ging zum Waschtisch hinüber. Aus dem Krug goss er

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