Der Mönch und die Jüdin
sagte, so etwas habe sich noch kein frischgebackener Ritter von ihm gewünscht. Aber dann ist er zu eurem Rabbiner gegangen und hat die Sache mit ihm besprochen. Nun werden sie beide gemeinsam die Trauung vollziehen, zum Zeichen der künftigen Freundschaft von Christen und Juden im heiligen Köln. Morgen Abend wird es im Burghof ein großes Fest geben, bei dem jüdische und christliche Musikanten aufspielen. Wir werden alle gemeinsam unsere Hochzeit und den Sieg über Radulf feiern. Alle zusammen, Juden und Christen, werden essen und trinken, tanzen und lachen bis in den frühen Morgen!«
Da kannte Hannahs Freude keine Grenzen, und sie küsste Konrad auf den Mund, so lange, wild und leidenschaftlich, dass ihm Hören und Sehen verging und er glaubte, er wäre nicht mehr auf der Wolkenburg, sondern mitten im Paradies.
Nachbemerkung
J osephs und Hannahs Hoffnung, dass Intoleranz und Hass eines Tages enden würden, erfüllte sich auch in den folgenden Jahrhunderten nicht. Immer wieder waren die Juden in Köln und vielen anderen rheinischen Städten schweren Verfolgungen ausgesetzt.
Im 12. Jahrhundert hatte ein noch recht offenes geistiges Klima geherrscht, in dem die Juden als Ratgeber und religiöse Gesprächspartner durchaus respektiert worden waren. Doch dann wurde die Haltung der Kirche zusehends intoleranter und engstirniger. Ab dem vierten Laterankonzil 1215 waren die Juden verpflichtet, eine besondere Kleidung zu tragen. Von nun an waren sie durch den gelben Fleck und den spitzen Hut stigmatisiert und somit für jeden vom Hass Verblendeten sofort als ›Christusmörder‹ identifizierbar. Eine päpstliche Bulle aus dem Jahr 1223 verbot den Christen sogar jedes Gespräch mit Juden über religiöse Fragen.
Der von schierer Dummheit und blindem religiösen Fanatismus motivierte Judenhass verstieg sich zu den absurdesten Behauptungen. Ab 1144 verbreitete sich von England ausgehend die unselige Beschuldigung, die Juden würden angeblich Ritualmorde an Christen begehen. Als Mitte des 14. Jahrhunderts die Pest in Europa wütete, gab man daran den Juden die Schuld: Sie hätten angeblich die Brunnen vergiftet. Und wieder gingen die jüdischen Viertel in Flammen auf, wurden jüdische Männer, Frauen und Kinder ermordet.
Insgesamt war die Haltung der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit gegenüber den Juden meist von politischem Kalkül bestimmt. Zwar erließen Päpste, Könige, Stadt- und Landesherren immer wieder Verordnungen zum Schutz der Juden, doch diese mussten sich den – zumeist völlig unzureichenden – obrigkeitlichen Schutz durch teure Abgaben erkaufen. Und die jüdischen Gemeinden konnten sich der Gunst ihres jeweiligen Fürsten oder Königs niemals sicher sein: Mal vertrieb man sie, dann holte man sie als dringend benötigte Geldverleiher und Abgabenzahler wieder zurück.
Neben religiösem Fanatismus standen hinter der Judenverfolgung oft auch ganz handfeste wirtschaftliche Motive. Man wollte lästige geschäftliche Konkurrenz aus dem Weg räumen oder hatte sich bei Juden Geld geliehen, das man nicht zurückzahlen wollte. Eine im Mittelalter bei Königen und Fürsten wie bei städtischen Bürgern gleichermaßen beliebte Methode, sich seiner Schulden zu entledigen, bestand darin, die jüdischen Gläubiger kurzerhand zu verjagen oder zu ermorden und sich ihr Vermögen anzueignen. Praktischerweise hatte man den Juden jede Art von Bewaffnung verboten, so dass sie sich gegen solche Angriffe noch nicht einmal zur Wehr setzen konnten.
Zum Roman selbst möchte ich anmerken, dass der Häretiker-Prozess in Köln, für den Probst Everwin von Steinfeld sich schriftlichen Rat bei Bernhard von Clairvaux erbat und bei dem die Häretiker von der aufgebrachten Menge ergriffen und verbrannt wurden, in Wirklichkeit 1143 stattfand. Ich habe mir die dichterische Freiheit genommen, ihn ins Jahr 1146 zu verlegen.
Dem Kölner Erzbischof Arnold I., der den Juden Zuflucht auf der Wolkenburg gewährte, war übrigens keine lange Regierungszeit mehr beschieden, denn im Jahr 1149 wurde er von Papst Eugen III. abgesetzt, weil Arnolds Amtsführung offenbar zu wünschen übrigließ. (Die näheren Gründe sind nicht überliefert. Vielleicht hatte er ja, wie der Arnold in meinem Roman, als echter Rheinländer eine ausgeprägte Vorliebe für Wein, Weib und Gesang und war dem Papst deshalb nicht fromm genug.)
Auch den Hassprediger Radulf habe ich nicht erfunden: Tatsächlich zog damals ein französischer Zisterziensermönch namens
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