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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Was mochte da oben bloß vor sich gehen? Wieder hörte sie Stimmen, glaubte sogar, die von Erzbischof Arnold zu erkennen. Todunglücklich saß sie auf ihrer Strohmatte. Seit Nathan sie angekettet hatte, konnte sie noch nicht einmal mehr in der Zelle auf und ab gehen. Dann öffnete sich plötzlich die Außentür des Kerkers. Schritte kamen durch den Flur auf ihre Zelle zu. Brachte Onkel Nathan ihr das Abendessen? Eigentlich schien es dafür noch etwas früh, aber in diesem dämmerigen Verlies hatte Hannah schon längst jedes Zeitgefühl verloren.
    Ein Gesicht tauchte in dem kleinen Gitter der Zellentür auf. Das war nicht Onkel Nathan, sondern jemand, von dem sie befürchtet hatte, ihn niemals wiederzusehen. Der Schlüssel drehte sich im Schloss, und als er dann endlich vor ihr stand, jubelte ihr Herz wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
    »Konrad! Wie ist denn das bloß möglich?«
    Während er sie von ihrer Kette befreite, sagte er: »Willkommen in der Freiheit!«
    Dann lagen sie sich in den Armen.
    Konrad sagte: »Komm, zuallererst bringe ich dich aus diesem dunklen Verlies hinaus in die warme Frühlingssonne.«
    Als sie aus dem Kerker ins Freie traten, blickte Hannah ängstlich zum Stallgebäude hinüber.
    »Hab keine Angst«, beruhigte Konrad sie. »Onkel Nathan ist besiegt. Er hat seine Lektion erhalten, denke ich, und wird es nie wieder wagen, dich zu behelligen.«
    Für einen Moment dachte Hannah beklommen an den Brief. Hatte Konrad ihn gelesen? Was musste er nun von ihr halten! »Der Brief … du hast ihn bekommen?«
    Konrad nickte.
    »Es tut mir so leid. Ich wollte das nicht schreiben. Onkel Nathan hat mich gezwungen …«
    »Erst war ich sehr verletzt und traurig«, sagte Konrad, »aber schließlich wurde mir klar, dass du nicht wirklich meinen konntest, was in dem Brief stand. Und plötzlich bemerkte ich, wie sehr du beim Schreiben gezittert haben musst.«
    Er lächelte, nahm ihre Hand und führte sie nicht auf den Burghof, wo reges Treiben herrschte, sondern nach rechts eine mit Moos bewachsene Treppe hinauf.
    »Jetzt können wir wieder zusammen Ovid lesen«, sagte Konrad. »Dein Buch liegt gut verwahrt in meiner Kammer drüben im Palas.«
    »Danke, dass du es gerettet hast.«
    Er lächelte. Erst jetzt, im hellen Tageslicht, fiel ihr auf, dass er sich verändert hatte. Er trug nicht mehr seine graue Mönchskutte, sondern das schlichte, aber kleidsame Gewand, das Ritter in Friedenszeiten trugen: leichte, hübsch geschnittene Stoffhosen und ein weit geschnittenes helles Hemd. Hannah fand, dass ihm die Kleidung überaus gut stand. Auch seine Haltung hatte sich verändert, er wirkte jetzt stolzer und aufrechter, mit einem neuen, selbstbewussten Leuchten in den Augen. Auf seiner Brust schimmerte ein rundes Amulett in der Sonne. Am Gürtel trug er einen Dolch, dessen Griff mit einem etwas bedrohlich wirkenden Wolfskopf verziert war, und – ein großes Ritterschwert!
    Als er ihren Blick bemerkte, legte er etwas zögernd die Hand auf den Schwertgriff und sagte: »Ich habe noch nicht gelernt, damit umzugehen. Aber ich werde mich von meinem Schwager Rainald von Falkenstein in der Kunst des Schwertkampfes unterweisen lassen. Dann kann ich deine Ehre verteidigen, wann immer dies auf unseren Reisen notwendig sein sollte.«
    »Der Burgvogt ist dein Schwager?«, fragte Hannah erstaunt.
    »Ja. Und sein Bruder Ludowig ist ein großer Dichter, dessen Lieder von vielen fahrenden Sängern gesungen werden. Es wird dir bestimmt Freude machen, ihn kennenzulernen und dich mit ihm auszutauschen, wo du doch die Literatur und Dichtkunst so liebst. Ludowigs Äußeres ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Übrigens kann auch meine Schwester sehr schöne Verse dichten.« Konrad lächelte. »Ich glaube, es gibt vieles, was ich dir erzählen muss.«
    Unterhalb eines Wehrganges fanden sie einen sonnenbeschienenen Treppenabsatz, der vom Hof aus nicht eingesehen werden konnte. Hier waren sie ungestört. Sie setzten sich auf die Steine und ließen sich von der milden Frühlingssonne wärmen, was für Hannah nach der Zeit in dem kühlen, feuchten Kerker eine Wohltat war.
    Eidechsen huschten auf den Mauern umher. Zwischen den Steinen sprossen Kräuter und kleine, leuchtende Blumen. Hannah sah Zitronenfalter und andere Schmetterlinge und hörte die Vögel singen. Sie war unbeschreiblich glücklich, wieder in Freiheit zu sein, mit Konrad an ihrer Seite.
    Und Konrad erzählte. Er berichtete, wie er das Geheimnis seiner Vergangenheit

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