Der Mörder aus einer anderen Zeit
dumm geformten Schädel.
»Regina Odenhafer«, sagte
Simon, »dir sieht man deine Unverschämtheit nicht an. Aber wer weiß schon, was
in so einer Blödbirne rummülmt.«
Damit keine Unklarheit
entstand, wessen »Blödbirne« gemeint war, klopfte er dem Mädchen hart an die
Schläfe — mit dem Knöchel einer Schlägerfaust.
»Aber das Miststück ist
unverschämt«, sagte Nocke.
»Was... was...«, ihre Stimme
zitterte, »wollt ihr von mir?«
»Das wirst du schon merken,
Blödbirne.«
Simon griente. »Blödbirne« als
Etikett für Regina — deren Notendurchschnitt bei 1,9 lag — schien er für einen
tollen Einfall zu halten. Sie schwieg. Ihre Knie drohten nachzugeben. Angst
schwappte ihr Tränen in die Augen, aber sie wollte nicht weinen — nicht vor
diesen Typen.
»Ich rede von eurer
bescheuerten Schülerzeitung«, sagte Simon. »Vom ›Heimschul-Beobachter‹, wie ihr
dieses Dreckblatt nennt. In der letzten Ausgabe hast du einen Hetzartikel
zusammengeschmiert. Du und eine gewisse Gaby Glockner. Jedenfalls habt ihr
beide unterzeichnet. Na ja, die andere kriegt auch noch ihr Fett.«
Regina begriff blitzartig. Klar
doch, das war’s! Der Artikel gegen die PEW — die »Partei zur Erhaltung
deutscher Werte«. Der Artikel — eine Gemeinschaftsarbeit. In diesem Fall hatten
TKKG — vornehmlich die Jungs — alle Fakten zusammengetragen. Regina und Gaby
hatten sich an den Schreibcomputer gesetzt, mutig kommentiert, unverblümt ihre
Meinung gesagt.
Es ging schlicht darum, dass
die PEW — eine nicht gerade bedeutende, aber auch nicht zu unterschätzende
politische Gruppierung — beinhart dagegen Stellung bezog, dass den Tieren
dieser Welt Rechte zugestanden werden: das Recht auf Leben, das Recht auf
tiergerechte Haltung — ohne Qual, ohne Folter, ohne Tierversuche, ohne Artenvernichtung.
Gegen ein entsprechendes Gesetz und die Aufnahme ins Grundgesetz, in die
deutsche Verfassung — dagegen kämpfte die PEW.
Das hatte natürlich nichts mit
der Erhaltung deutscher Werte zu tun, aber mit Geld. Denn Geld, Schmiergeld,
erhielt die PEW von einflussreichen Konzernen der Pharmaindustrie, also den
Arzneimittelherstellern — von denen viele immer noch glauben, dass es ohne
grausige Tierversuche nicht geht, wenn ein neuer Hustensaft zusammengebraut
werden soll oder ein Mittel gegen Brechdurchfall.
Der Artikel war überschrieben:
Die PEW liebt keine Tiere — wen denn dann? Er war anklagend, er war moralisch
vernichtend, er würde unter den wahlberechtigten Jung-Erwachsenen garantiert
Wählerstimmen kosten. Die HSB-Mitarbeiter — wie im Pausenhof-Jargon der
sperrige Name abgekürzt wurde — hatten mit einer offiziellen Erwiderung seitens
der PEW gerechnet. Denn die Schülerzeitung wurde weitergegeben und auch in der
Stadt gelesen. Doch nichts war geschehen.
Aber jetzt, dachte Regina,
kommt es. Anders als wir erwartet haben.
»Ich meine den Hetzartikel
gegen die PEW«, sagte Simon.
»Das... ist kein Hetzartikel.«
»Das ist übelste Hetze, du
Kröte!«, fuhr er sie an. Für einen Moment befürchtete sie, er würde sie mit
Heringsgräten bespucken. »Du bist eine verdammte Kommunisten-Göre. Eine
Verrückte! Die andere auch. Die blöden Viecher sind für euch nur ein Vorwand.
In Wahrheit wollt ihr gegen die Partei hetzen.«
»Nein!«
»Halt den Mund! Ich sage, was
Sache ist. Mein Freund und ich, wir sind zwar keine PEW-Mitglieder. Aber wir
sind Sympathisanten. Klar? Und wir lassen es nicht zu, dass ihr unser
politisches Sammelbecken verunreinigt. Besudelt!«
...politisches Sammelbecken,
dachte sie. Das ist nicht auf seinem Mist gewachsen. Das ist Polit-Gewäsch.
Natürlich sind die beiden Mitglieder. Nachwuchs-PEWs. Aber ob sie im Auftrag
handeln...? Das wäre doch dumm von den Obermotzen. Andererseits — so radikal
wie die sind, da ist alles möglich.
»Es ist kein Hetzartikel«,
sagte sie tapfer. »Aber wir treten ein für die Tierrechte.«
»Tierrechte? So ‘n Quatsch!
Hast du nen Köter? Der weiß nicht mal, was rechts und was links ist. Und lesen
kann er auch nicht, hähäh! Waldi interessieren seine Rechte nicht. Der will
sich nur die Plauze voll fressen. Hähäh.«
Idiot!, dachte sie. Mit euch
diskutieren — da könnte man auch in einen leeren Schrank quatschen.
»Damit sich das nicht
wiederholt«, Simon schob die Hand unter seine Tarnjacke, »kriegst du jetzt ne
Lektion. Die wirst du dir merken. Noch mal so ne Kacke — und du kannst dich von
deinen Ohren verabschieden. Heute sind nur deine
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