Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry
blickte hinter die große Schlafcouch, probierte ihren Mechanismus, roch an einem offenen Zigarettenkästchen und stieß mit der Fußspitze die Kante einer Orientbrücke zurück, die vor dem Sekretär auf dem Bodenteppich lag.
„Ich glaube, wir können verschwinden", sagte er dann.
Er lieferte den Schlüssel bei dem Hausmeister ab und ließ sich wieder ins Büro bringen.
„Was Neues?" fragte er, als er den Trenchcoat abstreifte und sich über das Haar strich.
Der knochige Flavius folgte dem Kommissar in dessen Zimmer und wartete, bis er Platz genommen hatte.
„Ja, wir haben den Mörder", sagte er.
Morry rieb sich die Hände, als ob ihm kalt sei, und blickte seinen Miarbeiter an.
„Gut. Wo ist er?"
„Irgendwo in London. Immerhin wissen wir, wie er aussieht."
„Ach so. Konnten Sie einen Tatzeugen ermitteln?"
„Nein, Sir, aber einen, der den Mörder gesehen und gesprochen hat. Daran gibt es keinen Zweifel. Es ist Konstabler Copeland vom IX. Revier."
„Ist er da?"
„Ja, Sir. Er hat sogar die Autonummer des Mörders notiert. Wir haben sie inzwischen überprüft und dabei festgestellt, daß sie von einem anderen Wagen gestohlen wurde. Der Mann, dem die Schilder gestohlen wurden, besitzt ein hieb-und stichfestes Alibi."
„Schicken Sie Copeland herein."
Konstabler Copeland, der dem Kommissar eine halbe Minute später gegenüber stand, grüßte mit militärischer Korrektheit. Er hatte schon viel von dem berühmten Kommissar gehört und rechnete es sich zur Ehre an, ihm eine so überaus wichtige Information bringen zu können.
„Setzen Sie sich, Konstabler", sagte Morry freundlich.
Vielen Dank, Kommissar. Wenn Sie es erlauben, ziehe ich vor, zu stehen."
„Wie Sie wünschen. Der Inspektor sagte mir, daß Sie in der vergangenen Nacht unweit des Tatortes einen Verdächtigen gesehen und gesprochen haben?"
„Ja, Sir. Mir fiel ein Wagen auf, dessen Tür nicht geschlossen war. Ich trat an den Schlag und sah hinein. Dabei bemerkte ich, daß der Zündschlüssel steckte. Ich zog ihn ab und sah mich ein wenig um, weil ich mir sagte, daß der Wagenbesitzer nicht sehr weit sein könne. Tatsächlich tauchte er wenig später auf. Ich stellte ihn zur Rede, und er erzählte mir, daß ihm schlecht gewesen sei. Er habe sich seitwärts in die Büsche schlagen müssen. Das waren seine Worte, Sir. Außerdem behauptete er, ein Gast von Mr. Carter auf dem Richmond-Hill gewesen zu sein."
„Welchen Eindruck machte der Mann?"
„Schwer zu sagen, Sir. Er war auffallend blaß. Ich schob das auf die Übelkeit zurück, die er angeblich bekämpfen mußte, aber jetzt weiß ich natürlich, daß er einfach Angst hatte. Sicher stand er auch noch unter dem Eindruck der verübten Tat."
„Wie sah. er aus?"
„Er trug einen Regenmantel und einen schwarzen Filzhut. Sein Gesicht war schmal, seine Augen dunkel. Ich würde sagen, daß er ein Frauentyp ist. Jung — so um die Sechsundzwanzig herum. Die Art, wie er sprach, ließ darauf schließen, daß er zur oberen Gesellschaftsschicht gehört. Er war kein Arbeiter, Sir. Er sprach wie ein Mann, der in Chelsea zu Hause ist."
„Ich nehme an, Sie haben eine Beschreibung schon zu Protokoll gegeben?"
„Ja, Sir. Inspektor Flavius wird jetzt zwei Zeichner ansetzen, die mir eine Reihe von Bildern vorlegen, die helfen sollen, die Gesichtszüge des Mannes in ihrer Erkennbarkeit soweit einzuengen, daß wir den Steckbrief mit einer Zeichnung versehen können."
„Welchen Wagen fuhr der Mann?"
„Einen Rover, Sir."
„Baujahr?"
„1958, wenn ich nicht irre."
„Ich möchte Sie bitten, jetzt zum Bentford- Theater zu fahren. Lassen Sie sich die Bilder aller männlichen Schauspieler und Angestellten vorlegen und prüfen Sie, ob einer von ihnen mit dem mutmaßlichen Täter identisch ist."
„Ja, Sir."
Der Konstabler grüßte und verließ das Zimmer.
Kurz darauf betrat Inspektor Flavius den Raum. „Ganz tüchtiger Mann, dieser Copeland, was?" sagte er. „Er hat die seltene Fähigkeit, sich klar verständlich auszudrücken. Es wird nicht schwer sein, nach seinen Angaben eine Zeichnung anzufertigen, die dem Gesicht des Täters so ähnlich sein wird, wie wir das nur wünschen können."
„Die Sache sieht einfach aus", meinte Morry. „Im Grunde genommen brauchen wir nur zwei Sachen zu veranlassen. Erstens einmal, und das ist schon geschehen, muß sich Copeland alle Angestellten und Freischaffenden anschauen, die dem Bentford-Theater verpflichtet sind, und zweitens werden wir dafür sorgen,
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