Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
wieder. Ja, Katja, der Weg, den du uns gezeigt hast, ist alles in allem richtig und du kannst auf mich zählen. Aber wenn ich irgendwann ´Stopp!´ sage und das Tempo ein wenig gedrosselt haben will, solltest du das nicht noch einmal beiseiteschieben.“
*
Alf genoss die folgenden Tage. Einen Abend verbrachte er mit Lena zusammen am Strand, um auszuspannen. Er liebte es, nicht mehr ständig schwere körperliche Arbeit im Schnee verrichten zu müssen. Manchmal unterstützte er Helmut Pilcher bei seinem Projekt, Literatur zu übertragen, und er genehmigte sich endlich mal wieder genügend Schlaf. Doch den größeren Teil seiner Zeit war er sehr aktiv. Die dunklen Stunden der Spätnacht waren dem harten, gemeinsamen Training mit dem neuen Fechtlehrer vorbehalten und Alf genehmigte sich gelegentlich am Nachmittag, wenn Lena mit ihren neuen Aufgaben befasst war, eine weitere Lektion. Ganz so weit wie Rolf, der tagsüber fast nichts anderes mehr tat, als zu trainieren, trieb er es allerdings nicht. Da hatte er Besseres zu tun. Alf war höchst fasziniert von der Lebensweise der Leute hier. Er nahm sich Zeit, um mit den Fischern herauszufahren oder mit den Jägern und Sammlern in den Wald zu ziehen, um von ihnen zu lernen. Die Natur hatte für ihn stets eine große Faszination bedeutet. Als Exot wurde er überall neugierig aufgenommen. Er fand rasch viele neue Freunde unter den Jugendlichen der Stadt, insbesondere in der Fischerstadt, einem Stadtteil, der größtenteils auf Pfahlwerk an den sumpfigen Ufern des Sees lag. Erst an dem gemeinsamen freien Tag mit Lena, Katja und Sven, lernte er auch die übrigen Teile der Stadt kennen und schätzen.
Der Ort V´Llionias war auf drei Terrassen errichtet. Die Seeterrasse mit der Fischerstadt war die unterste davon. Hier lebten fast ausschließlich Menschen, die sich ganz aus der Natur versorgten und keinem speziellen schöpferischem Handwerk nachgingen. Neben Fischern und Dschungelbauern waren das Jäger, Kräutersammler, Schilfschneider und Brennholzsucher. Ganz an den Tafelberg geschmiegt gab es eine relativ schmale Terrasse, die die ´Hohe Sohle´ hieß. Dies war die nobelste Wohngegend, da kein anderer Bereich so viel Schatten vom südlich der Stadt gelegenen Tafelberg abbekam. Neben ein paar mäßig ergiebigen Bergwerksstollen und dem damit verbundenen Hüttengewerbe und einigen angesehenen Schmieden gab es auch hier keine Handwerksbetriebe. Stattdessen fanden sich, abgesehen von einigen Handelshäusern, wild durcheinander alle öffentlichen Gebäude, seien es nun die kalten Bäder, deren Becken direkt von dem Schmelzwasser des nahen Tafelberges gespeist wurden, die Verwaltungs- und Regierungsgebäude oder die zahlreichen kleineren Bibliotheken.
Die mittlere Terrasse war das Handwerker- und Bauernviertel, wenn man es so nennen wollte. Es wurde von großen Arealen aus bewohntem Dschungel dominiert, den die Menschen als Bauern nutzten, ohne ihn zu zerstören. Insgesamt gab es eher wenige Spezialisierungen und da war kaum ein Einwohner, der sein Haus nicht selbst gemauert und seine Kleidung nicht eigenhändig zusammengeflickt hätte. Es gab aber in diesem Teil der Stadt große Gerbereien und Betriebe von Alchemisten bzw. Apothekaren, die aus den Rohmaterialien, die aus dem Dschungel geborgen wurden, Medizin, Gewürze und all die nützlichen kleinen Mittel, von denen Moskitoschutz das wichtigste war, herstellten.
Gebäude mit Gewölbedecken waren nur auf der Hohen Sohle üblich, ansonsten verwendete man die gut verfügbaren Schilfgräser als Material für die Dachdeckerei.
Die zuvor erwähnten, verlassenen Bereiche lagen vornehmlich im nordwestlichen Teil der Stadt. Die Seeterrasse war in diesem Gebiet vollkommen versumpft und nicht mehr nutzbar. In diesem Areal war sogar die mächtige Stadtmauer scheinbar unrettbar verfallen, sodass es von gefährlichen Tieren nur so wimmelte. Die mittlere Terrasse dort war dagegen eine Geisterstadt.
Nach dem Stadtrundgang mit Lena, Sven und Katja begann Alf sich, wie schon gesagt, auch für die höheren Terrassen zu interessieren, und er trieb sich vermehrt in den Handwerksbetrieben herum. Außerdem begleitete er Lena in die Bibliotheken, um dort Lesen zu lernen. Das ging natürlich nicht gar so schnell.
In der frühen Nacht zog Alf immer wieder mit einigen seiner neuen Bekannten und Rolf zusammen durch die Gegend. Letzterem gefiel das Leben in V´Llionias offenkundig ebenfalls hervorragend. Beziehungen wurden hier allgemein sehr
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