Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
bei allen unseren H´Veredykundlern verbreitet ist. Auch Sie haben sich ja meines Wissens nach schon darin geübt. Wir können also nur mit den Erdenmenschen richtig reden, die schon länger hier sind. Außerdem sind die Verbindungen derzeit ohnehin zwar stärker, aber auch instabiler geworden. Es dürfte also in der jüngeren Vergangenheit kaum jemand einen dieser durch Metamatrizes entstandenen Übergänge überlebt haben.“
„Dann sind wir uns, so glaube ich, einig darüber, wie wir unsere Mission fortsetzen sollten und können unseren Leuten gleich mitteilen, dass es noch nicht wieder nach Hause geht. Ich hätte aber noch eine Frage: Was ist es, das Ihnen Sorgen bereitet, von dem Sie mir nichts gesagt haben?“
„Hmmh. Eine solche Frage könnte man als unhöflich verstehen, Tarz Bargon! Ich will Ihnen trotzdem die Antwort nicht vorenthalten. Meine Intuition sagt mir: Wenn es schon so weit gekommen ist, dass die rohen Kräfte von unserer Welt in diese hier herüberlecken können, was in der Geschichte niemals zuvor der Fall war, dann ist dieser Zusammenstoß im phänotyrischen System noch viel heftiger, als wir es erwartet haben. Dann muss das ganze phänotyrische System einen grundlegenden Wandel durchlaufen. Das bereitet mir Furcht.“
Ein Gerücht
Etwas bewegte sich lautlos durch den nächtlichen Dschungel. Der grüne Mond schimmerte auf tiefschwarzem Haar. CainiSant wurde dieses Wesen von jenen genannt, die davon gehört hatten. CainiSant war auf der Jagd und schlich sich an einen riesigen Nachtfalter an, der seinen schrittlangen Saugrüssel genüsslich in den tiefen Kelch einer getigerten Paradiesblume versenkte.
CainiSant war viel kleiner als ihr Beutetier, doch sie jagte mit schrecklichen natürlichen Waffen, denen kaum etwas widerstehen konnte. Ein gedankenschneller Hieb auf den Kopf, schon war der Falter für einen Augenblick bewegungsunfähig. Rasch war die Beute in ihre Einzelgliedmaßen zerlegt.
Der Schuppen-Staub von den Flügeln ist das Wertvollste. Jetzt vorsichtig. Dieses Gewürz ist so konzentriert, dass ich tagelang nichts Anderes mehr schmecken werde, wenn mir etwas davon in den Mund gelangt. Selbst durch das feuchte Tuch vor meinem Mund ist es ziemlich dominant. Das Abdominalsekret ist mindestens genauso potent. Was aus diesem einzigen Tier herauszuholen ist, reicht, um daraus Parfüm für eine halbe Kleinstadt herzustellen. Die Flügel behalte ich. Daraus kann man ein Leder herstellen, das an Festigkeit und Weichheit seinesgleichen sucht.
H´Verena CainiSant, die Nachtläuferin, wurde sie mittlerweile überall genannt. Nachdem der Dschungel so unvermittelt den unangreifbar wirkenden Barwarin geholt hatte, war sie allein weitergezogen. Sie vermisste Barwarin sehr und führte gelegentlich im Geiste Gespräche mit ihm. Aber obgleich sie schrecklich trauerte, nahm der Verlust ihr doch nicht ihre Identität. Es dauerte eine Weile, bis sie es merkte, dann überraschte sie die Erkenntnis, dass sie, mehr denn je, eine in sich selbst ruhende Persönlichkeit geworden war. Ihre Seele gehörte viel mehr dem ewigen Dschungel, als sie jemals Barwarin gehört hatte.
Wie sich herausstellte, musste sie nicht einmal für ihren Lebensunterhalt arbeiten, wenn sie es nicht wollte. Barwarin hatte stillschweigend vor langer Zeit ein Testament bei den Gilden hinterlegt, nach dem Verena einen Großteil seines enormen Vermögens erbte.
Doch damit gab sie sich nicht zufrieden. Das Erbe betraf vorwiegend Besitztümer, die rund um das Salzwassermeer verteilt waren, da die testamentarischen Verfügungen nur dort hatten verbreitet werden können. Verena wollte die Welt sehen!
Dabei traf sie nun ihre eigenen Entscheidungen. So gewöhnte sie sich an, ihre Wanderungen größtenteils nachts vorzunehmen. Wie sie es von Barwarin gelernt hatte, bewegte sie sich dabei auch weiterhin auf allen Ebenen des Waldes. Selbst die Pilzhöhlen wurden ihr vertraut und sie besuchte alle Pflanzengesellschaften, die der Dschungel zu bieten hatte. Die Grenze zog sie für sich allein da, wo sie den Dschungel verlassen hätte müssen. Die exotischen Landkorallenriffe umging sie, und auch in die auf Meereshöhe seltenen Steppen und Wüstengebiete wollte sie sich nicht begeben. Vor allem aber vermied sie es, die Gipfel der höheren Tafelberge zu betreten, die sich zum Teil in gewaltigen Ketten um die halbe Welt ziehen konnten. Je nach Höhe und geografischer Lage konnte es dort ewiges Eis, ausgedehnte Grasländer und
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