Der Mord zum Sonnntag
Verteidigung nach dem Muster Marilyn Monroe»,
meinte Syd. «Bei all den wilden Gerüchten über Marilyns
Tod wurde allgemein bereitwillig akzeptiert, daß sie
Selbstmord begangen hat.»
«Genau.» Bartlett bedachte Syd mit einem freundlichen
Lächeln.
«Nun erhebt sich die Frage nach dem Motiv. Erzählen
Sie mir von dem Stück, Syd.»
Syd zuckte die Achseln. «Das war ihr auf den Leib
geschrieben. Die ideale Rolle. Sie war ganz vernarrt in das
Manuskript. Die Proben liefen anfangs wie geschmiert.
Ich sagte immer zu ihr, wir könnten glatt in einer Woche
eröffnen. Und dann passierte irgendwas. Sie erschien um
neun Uhr früh im Theater – betrunken. Von da an ging’s
bergab.»
«Lampenfieber?»
«Das haben viele. Helen Hayes erbrach vor jeder
Vorstellung. Sobald Jimmy Stewart einen Film abgedreht
hatte, war er felsenfest davon überzeugt, daß ihm kein
Mensch je wieder einen neuen anbieten würde. Leila
übergab sich und machte sich Sorgen. So ist eben das
Showgeschäft.»
«Genau das möchte ich im Zeugenstand nicht hören»,
erklärte Henry scharf. «Ich beabsichtige, das Bild einer
Frau mit Alkoholproblemen zu zeichnen, die eine schwere
Depression durchmachte.»
Ein Teenager tauchte hinter Cheryl auf. «Könnte ich
bitte ein Autogramm haben?» Er knallte ihr eine
Speisekarte hin.
«Selbstverständlich.» Cheryl signierte strahlend.
«Stimmt es, daß Sie in dieser neuen Serie die Amanda
spielen?»
«Ich denke schon. Halten Sie mir jedenfalls die
Daumen.» Cheryl sonnte sich in der Bewunderung, die ihr
dieser Teenager entgegenbrachte.
«Sie als Amanda, das wäre einfach super. Und vielen
Dank auch.»
«Hätten wir das doch bloß auf Band, dann könnten wir’s
Bob Koenig schicken», bemerkte Syd sarkastisch.
«Wann erfährst du es?» erkundigte sich Craig.
«Vermutlich in den nächsten Tagen.»
Craig erhob sein Glas. «Auf Amanda.»
Cheryl ignorierte ihn und wandte sich zu Ted. «Willst du
denn darauf nicht trinken?»
Er erhob sein Glas. «Selbstverständlich.» Das meinte er
ernst. Die unverhüllte Hoffnung in ihren Augen hatte
etwas merkwürdig Rührendes. Leila hatte Cheryl immer in
den Schatten gestellt. Warum waren sie bei der Farce von
den guten Freundinnen geblieben? Lag es daran, daß
Cheryls unablässiges Streben, Leila zu überflügeln, für
diese eine Herausforderung bedeutet hatte, einen ständigen
willkommenen Ansporn, ihr Bestes zu geben?
Cheryls Lippen streiften seine Wange. Er zuckte nicht
zurück.
Beim Kaffee stützte Cheryl die Ellbogen auf den Tisch
und dann den Kopf in die Hände. Ihre vom Champagner
leicht vernebelten Augen schienen verheißungsvoll zu
glühen. Mit etwas heiserer Stimme tuschelte sie Bartlett
zu: «Und wenn Leila nun geglaubt hätte, daß Ted sie
wegen einer anderen Frau fallenlassen wollte? Inwieweit
würde das die Selbstmordtheorie unterstützen?»
«Ich war an keiner anderen Frau interessiert», konterte
Ted.
«Darling, hier handelt es sich doch nicht um die Stunde
der Wahrheit. Du hältst jetzt besser den Mund», wies ihn
Cheryl zurecht. «Beantworten Sie meine Frage, Henry.»
«Wenn wir einen Beweis dafür hätten, daß Ted sich für
eine andere interessierte und daß Leila davon wußte, wäre
damit ein Grund für ihre Verzweiflung gegeben. Wir
würden die These des Anklägers erschüttern, Ted habe
Leila getötet, weil sie ihn zurückgewiesen hatte. Wollen
Sie mir damit sagen, es sei zwischen Ihnen und Ted etwas
gelaufen, bevor Leila starb?» fragte Bartlett hoffnungsvoll.
«Das beantworte ich», fuhr Ted ihn an. «Mit einem
klaren Nein.»
«Ihr habt nicht richtig zugehört», beschwerte sich
Cheryl. «Ich sagte, ich hätte vielleicht einen Beweis dafür,
daß Leila dachte, Ted wolle sie wegen einer anderen
fallenlassen.»
«Du weißt ja nicht, was du sprichst, Cheryl. Ich schlage
vor, du hältst jetzt den Mund», empfahl Syd. «Laß uns
gehen. Du hast entschieden zuviel getrunken.»
«Du hast recht», entgegnete Cheryl liebenswürdig. «Das
passiert nicht gerade oft, Syd, mein Lieber, aber diesmal
hast du wirklich recht.»
«Einen Moment noch», unterbrach sie Bartlett. «Falls
Sie nicht irgendein Spielchen spielen, Cheryl, sollten Sie
lieber Ihre Karten auf den Tisch legen. Alles, was
Aufschluß gibt über Leilas Gemütsverfassung, über ihren
Geisteszustand, ist für Teds Verteidigung von elementarer
Bedeutung. Was bezeichnen Sie als ‹Beweis›?»
«Vielleicht etwas, das Sie nicht mal
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