Der Mord zum Sonnntag
…»
«Heilige Eide schwört mir jeder. Wie war’s, wenn du
mir statt dessen reinen Wein einschenkst? Wenn ich mich
exponiere und für Cheryl stark mache, wird das dann ein
Eigentor? Sollte das je passieren, Syd, bist du erledigt.»
«Ich schwöre, ich schwör’s dir beim Grab meiner Mutter
…»
Syd legte den Hörer auf, kauerte sich zusammen und
barg das Gesicht in den Händen. Feuchtkalter Schweiß
brach ihm aus allen Poren. Wieder einmal lag der große
Coup in Reichweite.
Nur war es diesmal Cheryl, nicht Leila, die ihm alles
verderben konnte.
9
Als sie von Elizabeth wegging, trug Dora den in Plastik
verpackten anonymen Brief in ihrer Jackentasche. Sie
hatten beschlossen, daß sie ihn im Büro fotokopieren
sollte und Elizabeth dann am nächsten Morgen dem
Sheriff in Salmas das Original übergeben würde.
Scott Alshorne, der Sheriff des County, gehörte zu den
regelmäßigen Dinnergästen von Cypress Point. Er war mit
Mins erstem Mann befreundet gewesen, und Leila hatte
sehr an ihm gehangen.
«Anonyme Briefe sind was anderes, als wenn jemand
seinen Schmuck vermißt», gab Dora zu bedenken.
«Ich weiß, aber Scott kann uns sagen, wohin wir den
Brief zur Analyse schicken müssen oder ob ich ihn einfach
im Büro des Staatsanwalts in New York abliefern soll. Ich
möchte jedenfalls auch eine Kopie haben.»
«Dann mache ich’s am besten noch heute abend. Morgen
ist Min wieder in der Nähe, und wir dürfen nicht riskieren,
daß sie ihn liest.»
Beim Abschied schloß Elizabeth sie in die Arme. «Sie
halten Ted nicht für schuldig, stimmt’s, Sammy?»
«Des vorsätzlichen Mordes? Nein, das kann ich einfach
nicht glauben. Und wenn er sich tatsächlich für eine
andere interessierte, hatte er kein Motiv, Leila zu töten.»
Dora mußte sowieso noch einmal ins Büro zurück. Sie
hatte auf dem Schreibtisch verstreute Briefe und den
Plastikbeutel mit der noch nicht gesichteten Post auf dem
Fußboden hinterlassen. Min würde einen Tobsuchtsanfall
bekommen, wenn sie das entdeckte.
Ihr Dinnertablett stand noch auf dem Tisch neben ihrem
Arbeitsplatz, fast unberührt. Merkwürdig, wie wenig
Appetit sie in letzter Zeit hatte. Einundsiebzig – das war
doch wirklich nicht so alt. Durch die Operation und Leilas
Tod war eben ein Funke erloschen, die Spontanität, mit
der Leila sie immer aufgezogen hatte.
Der Fotokopierer war in einer Nußbaumtruhe verborgen.
Sie öffnete den Deckel und schaltete das Gerät ein, zog
den Brief behutsam aus dem Plastikbeutel, hielt ihn mit
den Fingerspitzen am Rand fest. Sie beeilte sich, denn es
stand immer zu befürchten, daß es Min plötzlich einfallen
könnte, ins Büro hinunterzukommen. Helmut saß
zweifellos in seinem Studio. Er litt unter Schlaflosigkeit
und las bis spät in die Nacht.
Ein kurzer Blick durch das halboffene Fenster. Nur das
gewohnte Donnern der Brandung und der belebende
Salzgeruch. Der kühle Luftzug störte sie nicht, auch wenn
er sie frösteln ließ.
Sämtliche Gäste befanden sich inzwischen in ihren
Bungalows, wo man hinter den zugezogenen Vorhängen
noch die Lichter brennen sah. Am Horizont zeichneten
sich die Umrisse der Tische mit den Sonnenschirmen rund
um das große Schwimmbecken ab. Links ragte die
Silhouette des römischen Bades drohend auf. Die Nacht
begann dunstig zu werden, was die Sicht erschwerte.
Plötzlich beugte sich Dora vor. Da ging jemand, nicht auf
dem Weg, sondern im Schatten der Zypressen, als fürchte
er, gesehen zu werden. Sie rückte ihre Brille zurecht und
stellte erstaunt fest, daß die Gestalt da draußen einen
Taucheranzug trug. Was hatte dieser Mensch hier zu
suchen? Anscheinend wollte er zum großen
Schwimmbecken.
Elizabeth wollte noch schwimmen gehen, wie sie ihr
erzählt hatte. Dora erfaßte eine unerklärliche Angst. Sie
schob den Brief in die Jackentasche, eilte hinaus und die
Treppe hinunter, so schnell es ihre arthritischen Glieder
erlaubten, durch die verdunkelte Eingangshalle und die
selten benutzte Seitentür nach draußen. Der Eindringling
ging jetzt am römischen Bad vorbei. Sie rannte, um ihm
den Weg abzuschneiden. Vermutlich ist es einer von den
College-Studenten, die in Pebble Beach Lodge wohnen,
überlegte sie. Von Zeit zu Zeit schlichen sie sich herum,
um im großen Becken zu schwimmen. Doch ihr war
unbehaglich bei dem Gedanken, daß dieser hier mit
Elizabeth zusammentreffen würde, während sie allein im
Wasser war.
Sie drehte sich um und merkte, daß er sie
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