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Der Mythos des Sisyphos

Der Mythos des Sisyphos

Titel: Der Mythos des Sisyphos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Gedanken, die vom Absurden ausgehen, habe ich nur wenige gesehen, die sich darin behaupteten. Und gerade an ihren Abschweifungen und an ihrer Untreue habe ich am besten ermessen, was nur dem Absurden gehörte. Dementsprechend muß ich fragen: ist ein absurdes Kunstwerk möglich?

Der Ausdruck beginnt, wo das Denken aufhört

    Man sollte nicht zu sehr auf der Willkür des alten Gegensatzes zwischen Kunst und Philosophie bestehen. Wenn man ihn ganz genau verstehen will, ist er sicherlich falsch. Wenn man nur behaupten will, jede dieser beiden Disziplinen habe ihr besonderes Klima, so ist das zweifellos richtig, bleibt aber unbestimmt. Die einzig annehmbare Argumentation beruhte auf dem hervorgehobenen Gegensatz zwischen dem in seinem System befangenen Philosophen und dem vor sein Werk gestellten Künstler. Das aber galt für eine bestimmte Art von Kunst und Philosophie, die wir hier für zweitrangig halten. Die Idee einer von ihrem Schöpfer losgelösten Kunst ist nicht nur unzeitgemäß. Sie ist falsch. Es heißt: im Gegensatz zum Künstler habe nie ein Philosoph mehrere Systeme aufgestellt. Das stimmt aber nur insofern, als ein Künstler nie mehr als einen einzigen Gegenstand in verschiedenerlei Gestalt dargestellt hat. Die augenblickliche Vollkommenheit der Kunst, die Notwendigkeit ihrer Erneuerung - diese Wahrheiten gelten nur auf Grund eines Vorurteils. Auch das Kunstwerk ist nämlich eine Konstruktion, und jeder weiß, wie eintönig die großen Künstler sein können. Der Künstler gibt sich in der gleichen Weise seinem Werk hin wie der Denker. Diese Osmose erzeugt das wichtigste aller ästhetischen Probleme. Außerdem gibt es für den, der von der Einheit des geistigen Ziels überzeugt ist, nichts Überflüssigeres als diese Unterscheidungen nach Methoden und Gegenständen. Es gibt keine Grenzen zwischen den Disziplinen, denen der Mensch sein Verständnis und seine Liebe widmet. Sie durchdringen sich gegenseitig und sie gründen sich auf dieselbe Angst.
    Dies muß zu Beginn gesagt werden. Damit ein absurdes Werk möglich ist, muß das Denken in seiner hellsten Form daran beteiligt sein. Aber es darf auch wieder nur als gebietende Intelligenz daran beteiligt sein. Dieses Paradox erklärt sich aus dem Absurden. Das Kunstwerk entsteht aus dem Verzicht des Verstandes, das Konkrete zu begründen. Es bezeichnet den Triumph des Sinnlichen. Das klare Denken ruft es hervor, leugnet aber gerade in diesem Akt sich selbst. Es wird nicht der Versuchung nachgeben, dem Geschriebenen einen tieferen Sinn unterzulegen, den es für unberechtigt hält. Das Kunstwerk ist die Inkarnation eines Dramas des Verstandes, gibt aber nur einen indirekten Beweis davon. Das absurde Kunstwerk verlangt einen Künstler, der sich seiner Grenzen bewußt ist, und eine Kunst, in der das Konkrete nichts anderes bedeutet als sich selbst. Es kann nicht das Ziel, der Sinn und der Trost eines Lebens sein. Schaffen oder nicht schaffen - das ändert nichts. Der absurde Schöpfer hängt nicht an seinem Werk. Er könnte darauf verzichten.Er verzichtet auch manchmal darauf. Ein ist genug 26 .
    Man kann darin gleichzeitig eine ästhetische Regel sehen. Das wahre Kunstwerk entspricht immer menschlichem Maß. Es ist wesenhaft das, das sagt. Es gibt eine gewisse Beziehung zwischen der globalen Erfahrung eines Künstlers und dem Werk, das diese widerspiegelt, zwischen und der Reife GOETHEs. Diese Beziehung ist schlecht, wenn das Werk sich anmaßt, alle Erfahrung auf das verzierte Papier ausdeutender Literatur zu bringen. Diese Beziehung ist gut, wenn das Werk nur ein Ausschnitt aus der Erfahrung ist, nur eine Facette des Diamanten, in der sich der ganze innere Glanz uneingeschränkt sammelt. Im ersten Falle hat man es mit einer Überlastung und mit dem Anspruch auf die Ewigkeit zu tun. Im zweiten Falle handelt es sich um ein ergiebiges Werk, weil die ganze Erfahrung, deren Reichtum man errät, stillschweigend mitgegeben ist. Für den absurden Künstler lautet das Problem so: die Lebensart zu erwerben, die über die Gewandtheit hinausgeht. Und am Ende ist in diesem Klima der große Künstler vor allem ein großer Lebender, der begriffen hat, daß Leben hier ebensosehr Erfahren wie Nachdenken ist. Das Kunstwerk ist also die Inkarnation eines intellektuellen Dramas. Das absurde Kunstwerk verdeutlicht den Verzicht des Denkens auf sein Ansehen; seine Resignation, mehr sein zu wollen als die Einsicht, die die Erscheinungen in das

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