Der Mythos des Sisyphos
heraus. Weniger aus Hochmut als im Bewußtsein unserer aussichtslosen Lage. Auch wir haben manchmal Mitleid mit uns selbst. Das ist das einzige Erbarmen, das uns annehmbar erscheint: ein Gefühl, das ihr vielleicht kaum begreift und das euch wenig männlich erscheint. Trotzdem lernen es gerade die Kühnsten unter uns kennen. Männlich nennen wir nämlich die klaren Köpfe, und wir wollen keine Kraft ohne klaren Blick.>
Fürsten ohne Reich
Noch einmal: diese Bilder entwerfen keine moralischen Lehren und, geben keine verpflichtenden Urteile: es sind nur Skizzen. Sie veranschaulichen bloß einen Lebensstil. Der Liebhaber, der Komödiant und der Abenteurer spielen das Absurde. Aber wenn sie es wollen, tun das genausogut der Keusche, der Beamte und der Präsident der Republik. Man braucht nur zu wissen und nichts zu maskieren. In den italienischen Museen findet man zuweilen kleine bemalte Schirme, die der Priester den Verurteilten vors Gesicht hielt, um ihnen das Schafott zu verbergen. Der Sprung in all seinen verschiedenen Formen, der Sturz ins Göttliche oder ins Ewige, die Hingabe an die Illusionen des Alltags oder der Idee - alle diese Schirme verbergen das Absurde. Es gibt aber auch Beamte ohne Schirm, und von diesen spreche ich.
Ich habe die extremsten Typen gewählt. Auf dieser Stufe gibt das Absurde ihnen eine königliche Macht. Gewiß, es sind Fürsten ohne Reich. Aber sie haben vor den anderen das eine voraus, daß sie wissen, wie illusorisch alle Reiche sind. Sie wissen, und eben das ist ihre ganze Größe, und es wäre eitel, wollte man bei ihnen von verstecktem Unglück oder von der Asche der Enttäuschung reden. Der Hoffnung beraubt sein heißt noch nicht: verzweifeln. Die Flammen der Erde wiegen wohl die himmlischen Düfte auf. Weder ich noch sonst jemand kann hier über sie urteilen. Sie suchen nicht, besser zu sein, sie versuchen nur konsequent zu sein. Wenn das Wort einen Menschen bezeichnet, der von dem lebt, was er hat, und nicht auf das spekuliert, was er nicht hat, dann sind sie Weise. Einer von ihnen - Eroberer, aber in der Welt des Geistes, Don Juan, aber ein Don Juan der Erkenntnis, Komödiant, aber Komödiant des Verstandes - weiß es besser als irgendeiner:
Ich mußte jedenfalls der absurden Überlegung möglichst eindringliche Figuren beigeben. Die Phantasie kann noch Viele andere hinzufügen, die an die Zeit geschmiedet und der Verbannung ausgeliefert sind und nach dem Maßstab einer Welt ohne Morgen und ohne Schwäche zu leben wissen. Diese absurde und gottlose Welt bevölkert sich jetzt mit Menschen, die klar denken und nicht mehr hoffen. Und dabei habe ich noch nicht von der absurdesten Gestalt gesprochen: vom schöpferischen Menschen.
III. DAS ABSURDE KUNSTWERK
PHILOSOPHIE UND ROMAN
Alle diese Leben, die in der habgierigen Luft des Absurden gedeihen, würden sich ohne einen tiefen und beständigen Gedanken, der sie mit seiner Kraft belebt, nicht halten. Selbst hier kann das nur ein besonderes Gefühl von Treue sein. Wir haben bewußte Menschen erlebt, die inmitten der törichtsten Kriege ihre Pflicht taten, ohne sich in einem Widerspruch zu empfinden. Es handelte sich einfach darum, sich vor nichts zu drücken. So gibt es auch eine metaphysische Ehre, die Absurdität der Welt zu ertragen. Die Eroberung und das Spiel, die unermeßliche Liebe, die absurde Auflehnung - derartige Huldigungen bringt der Mensch seiner Würde in einem Feldzug dar, in dem er im voraus besiegt ist.
Es handelt sich einzig darum, der Kampfregel treu zu bleiben. Dieser Gedanke kann genügen, um einen Geist zu nähren: er hat ganze Zivilisationen aufrechterhalten und erhält sie noch aufrecht. Man verneint den Krieg nicht. Man muß durch ihn sterben oder durch ihn leben. So ist es auch mit dem Absurden: es handelt sich darum, mit ihm zu leben, seine Lehren anzunehmen und ihren Sinn ausfindig zu machen. In dieser Hinsicht ist das Kunstwerk die absurde Freude par excellence. , sagt NIETZSCHE,
In der Erfahrung, die ich zu beschreiben und auf verschiedene
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