Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
Vom Netzwerk:
standen dort unverändert. Mit einer unguten Ahnung richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder voraus. Die Häuser der Ruptu waren terrassenförmig angelegt und maßen zwei bis drei Mannslängen in der Höhe, auf jeder ihrer Ebenen wechselte sich üppiger Farnbewuchs mit Felsbrocken ab, die in der Sonne glitzerten. Mancherorts sah man Ruptu darauf hocken: die Augen halb geschlossen, bewegungslos verharrend. Überhaupt war die Stille hier unfassbar. Wer den Straßenlärm von Caramia oder Barakia gewohnt war, die spielenden Kinder, das Zetern der Nachbarn und das Geschrei der Händler, der konnte diese geisterhafte Ruhe nur als unheimlich empfinden. Niemand hier war in Bewegung. Die wenigen Echsen, die zu sehen waren, wirkten totenstarr.
    »Wo wollt Ihr mit den Ermittlungen beginnen?«, fragte Dadalore.
    »Ich denke, wir sollten es im Haus des Blutes versuchen. Die Krieger sind dort registrierungspflichtig.«
    Die Capitalobservatorin war froh, ihrem Gehilfen folgen zu können. Er schien das Terrain zu kennen und hatte sich schon beim Betreten Selassies als überaus hilfreich erwiesen. »Seid Ihr sicher, dass wir es trockenen Fußes bis dort schaffen? Wird der Zwölf-Uhr-Regen überhaupt hierher geschickt?«
    »Das wird er, aber nur über lange Aquädukte. Sorgt Euch nicht. Es ist auch nicht mehr weit.«
    Valenuru sollte recht behalten. Nach nur zwei Straßen gelangten sie zu einem Bauwerk, das ganz und gar eigentümlich war. Die Eingangsfront wurde durch vier Marmorsäulen gebildet, die allerdings eine dreistufige Dachterrasse trugen, von der grüne Äste herab ragten. Hinter dieser imposanten Fassade aber erstreckte sich ein großer Klotz aus Lehm, der an Hässlichkeit kaum zu übertreffen war.
    »Was ist das? Ein Tempel?«
    »Gut geraten, Eure Capitalobservatorin, wenngleich falsch. Es war ein Tempel, bevor die Ruptu die Herrschaft über die Welt in menschliche Hände legen mussten. Heute ist ein Teil der Kronverwaltung darin untergebracht, und es regieren hier Schreibfedern und Formulare. Jede Zeit hat ihre Götter.«
    Vor dem Eingangsportal standen erneut zwei echsische Wärter, doch sie zeigten keine Reaktion, als Valenuru an ihnen vorüber ging. Dadalore folgte. Im Inneren standen allerorten menschliche Sklaven herum, mal mit Pergamenten beladen, mal ohne Schriftstücke in den Händen, doch fast immer in einen Schwatz vertieft. Dadalore spürte, wie ihr Eintreten wahrgenommen wurde und versteifte sich. Ihr saß die Scham über das Versagen am Tor noch in den Gliedern. Jetzt nur keine erneute Blöße zulassen. Es war an der Zeit zu zeigen, wessen Ermittlungen dies waren. Sie räusperte sich vor einem jungen Beamten, dem der Sklavenring sichtlich in den fleischigen Hals schnitt. »Capitalobservatorin Was-soll-das-Dunkle-nachts wünscht Auskunft über das hier geführte Personenregister.«
    Der Bursche nickte und führte sie in ein rückwärtiges Dienstzimmer. Er tuschelte kurz mit einem Sklaven, der dort Schreibdienste verrichtete, und wandte sich wieder seinen Gästen zu. »Tafariward-Wozu-die-Eile wird sich gleich um Euch kümmern.«
    Der hilfreiche Beamte entfernte sich. Tafariward schien sehr in seine Pergamente vertieft. Mit einem Donnern kündigte sich draußen das Mittagsgewitter an. Zwölf Uhr. Dadalore ging zu einer großzügigen Fensteröffnung. Obwohl das Unwetter sich dank Zaubermacht nur über dem Riesenruptu entlud, war das Rauschen des Platzregens so laut, dass sie hätte schreien müssen, um es zu übertönen. Durch die Regenschleier konnte man immer noch vage den Koloss erkennen. Der Ruptu war so riesig, dass sein Haupt fast hinauf bis in die Wolken reichte. Und nun hob die Statue den Kopf wie jeden Mittag an und sperrte langsam das gewaltige Maul auf, als wolle sie den Himmel verschlingen. Unvorstellbare Wassermassen verschwanden im Leib der steinernen Echse.
    Der Wind, der zum Fenster eindrang, kühlte sich merklich ab. Der Regen hielt eine Weile an und setzte dann schlagartig aus. Die Schamanen leisteten gute Arbeit.
    »Ihr habt edle Haut, Ihr solltet gegen Hitze und Kälte gleichermaßen gefeit sein.«
    Dadalore drehte sich um und nahm den Mann, der sie angesprochen hatte, in Augenschein. Tafariward hatte tatsächlich nicht ihren sanften Braunton, wie Valenuru war er blass. Doch da endete die Ähnlichkeit, denn wo Valenuru athletisch wirkte, hatte Tafariward die untersetzte Statur eines Schreibtischsklaven. »Ihr seid sehr aufmerksam.«
    Der Beamte machte sich nicht die Mühe aufzustehen. »Die

Weitere Kostenlose Bücher