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Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer

Titel: Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Wenner-Goergen
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es eindeutig zu spät.

„Der Letzte, bitte!“
    Müde sank Schwester Lona für einen kurzen Augenblick auf einen der freien Stühle im Warteraum der Notaufnahme. Es war eine harte Schicht gewesen. Und noch war sie nicht ganz zu Ende…

Weil Schreiben befreit
    „Es gibt nach Garry Disher zehn Gebote für die Schriftstellerei, die allesamt nach Möglichkeit Anwendung in jeder Ihrer Geschichten finden sollten. Eines davon ist: ‚Du sollst nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen und nicht die Kavallerie zur Rettung rufen’. Was uns dieses Gebot sagen möchte, werde ich anhand von folgendem Beispiel veranschaulichen.“ Mit einer Einleitung dieser Art begannen die Stunden bei Frau Stauch immer. Paul seufzte. Da musste er jetzt durch. Er hatte bereits viel gelernt in diesem Seminar. Und es sollte noch mehr werden.
    „Weil Schreiben befreit“ und „Du solltest so langsam auch wieder unter die Menschheit!“ – so oder ähnlich war die Argumentation seines Umfeldes gewesen, als man ihn von dem Reiz der Teilnahme an diesem Workshop zu überzeugen versuchte. Und seine Freunde hatten Recht. Seit Mariellas Verschwinden hatte Paul sich zusehends zu Hause verkrochen und war kaum noch unter die Leute gegangen. Nur zu seiner Arbeit im Büro war er weiterhin regelmäßig erschienen. Seine Frau Mariella tourte währenddessen mit Pauls vermeintlich besten Freund durch die Welt, die beiden waren bei Nacht und Nebel durchgebrannt. Das war jetzt ungefähr fünf Monate her.
    Paul hatte immer schon gerne geschrieben und ansatzweise sogar auch ein paar Drehbücher verfasst. „Du solltest diese Gabe zu deinem Beruf machen.“ Ja, seine Freunde hatten Recht! Er wollte schreiben. Ihm fehlte nur noch das entsprechende handwerkliche Know-how. Und dafür war er hier.
    Also folgte Paul nun seit ein paar Wochen brav den Belehrungen der Frau Stauch und versuchte, seinen Text ihren Regeln zu unterwerfen. Sie mäkelte an fast allem herum. An seinen Satzstellungen und Ausdrucksformen, an seinen Metaphern, wenn er denn mal welche einsetzte sowie an seiner Zeichensetzung. Paul korrigierte und strich mühevoll erarbeitete Textpassagen wieder heraus, ohne Murren gab er seinen Figuren klang- und bedeutungsvollere Namen, er formulierte um und wandte indirekte Rede an.
    Alles, was er sich nicht nehmen ließ, war die Tatsache, dass seine Geschichte ein Krimi war und auch bleiben würde. Kopfschüttelnd und mit großem Bedauern hatte Frau Stauch dies schließlich akzeptiert.
    „Wenn wir unsere Figuren handeln lassen, dann müssen wir sie zunächst motivieren“, drang die schrille Stimme der Stauch in sein Gehirn vor. „Keine Handlung ohne entsprechenden Antrieb. Das sollte einem Schreibenden bei jedem seiner Sätze bewusst sein.“ Sie blickte in die Runde ihrer Schüler. „Weiß jemand, was genau damit gemeint ist?“
    Paul musste lächeln. Er fühlte sich an die Regeln der Buchhaltung erinnert: ‚Keine Buchung ohne Beleg’ – ja, es hatte tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit. Und ausnahmsweise verstand er einmal sofort, was Frau Stauch damit meinte. Und es war auch ganz leicht auf seine Geschichte anwendbar. Er hob den Finger und Frau Stauch nickte ihm erwartungsfroh zu. „Kein Mord ohne Motiv“, entfuhr es Paul ohne jegliche weitere Erklärung. Frau Stauch nickte zögernd. Sie verzog keine Miene, als sie sagte: „Ja. Dem Grunde nach haben Sie es verstanden. Bedauerlicherweise dominiert bei Ihnen ja die kriminelle Energie.“ Paul zuckte nur die Schultern. Ihm war es egal, was die alte Stauch von ihm dachte. Er war hier, um das Schreiben zu lernen. Und nicht die Lehre von Sitte und Moral. Seine Figuren waren gut motiviert. Die Motivation seines Täters war die große Leidenschaft Eifersucht. Damit kannte er sich inzwischen aus.
    „Bis zum nächsten Mal arbeiten Sie Ihre Handlungsbögen noch weiter aus. Führen Sie ihre Geschichte um mindestens zwei bis drei Seiten fort.“ Mit diesen Worten schloss Frau Stauch die Seminarstunde und packte vorne am Pult ihre Unterlagen zusammen.
    Zu Hause warf Paul seine Aktenmappe in die Ecke, ging sofort hinab in den Keller und holte sich ein Bier. Dann beschloss er, seine Hausaufgabe gleich heute Abend noch zu erledigen. Also nahm er die Mappe wieder hervor und begann damit, seine Geschichte auszuweiten. Bis jetzt hatte er kurze Figurenbiographien verfasst und auf Frau Stauchs Anweisung hin Interviews zwischen Autor und Figur geführt. „Um die handelnden Personen einer fiktiven Geschichte besser

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