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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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Eliteorden
    innerhalb der Liga auf, in den nur Atmas Zugang fanden, die von ähnlichem Fanatismus beseelt waren wie er. Jasons Schulungsprogramm wurde gestrafft und
    verschärft. Strenge Kontroll- und Prüfungsverfahren wurden eingeführt. Ein Ruck ging durch die Mitgliedschaft. Die Lireps, Gebietsvertreter, Zentrumsleiter
    und andere Atmas, die in der Organisation Positionen innehatten und sich auf ihren Einweihungen und Stellungen ausruhten, spürten den eisigen Wind als
    erste. Sie wurden zu Sonderschulungen geladen, erhielten Vorgaben, Anweisungen, Regeln, an die sie sich unnachgiebig zu halten hatten. Wer nicht gehorchte,
    wurde ersetzt, wer sich willig fügte, behielt seinen Posten und wer sich bewährte, stieg auf in den geheimen Kreis der Auserwählten. Gordon sprach bei
    jeder Gelegenheit von der anstehenden Spiritualisierung der Liga, von einem neuen Zyklus, den die uralten Adepten vorhergesagt hatten, von einem
    Quantensprung des Weltbewusstseins. Die Mitgliedschaft der Liga wuchs wie in alten Zeiten. Das Hauptquartier zog in ein neues Gebäude in der Nähe von San
    Francisco, eine gewagte, mehrfach preisgekrönte Konstruktion aus Glas, Metall und Granit, die ein japanischer Architekt entworfen hatte. Die Atmas, die für
    dieses blau schimmernde Prachtstück mit einem gigantischen Liga-Symbol auf dem Dach kräftig gespendet hatten, nannten es stolz „Sitz der Macht des Hju.“
    Die Pläne, die uns Jason am Abend seines Todes mitgeteilt hatten, nahmen Gestalt an. Im neuen Hauptquartier wurde die erste Liga-Akademie eröffnet, in
    Mexiko City das erste Missionszentrum. Gordon Blake trieb die Atmas an, radikal das Hju zu verbreiten und neue Mitglieder zu gewinnen. Die Liga-Weltkultur
    sollte so schnell wie möglich Wirklichkeit werden. Sollzahlen und Strategien, das Wachstum der Liga betreffend, füllten die Wahrheitsbriefe des Mahaguru.
    In ihrem Missionseifer verlor die Liga jeden Respekt vor anderen Religionen und Lebensweisen. Jason hatte die Lehre der Liga als Urquell aller Religionen
    gesehen und daher allen anderen geistigen Wegen der Welt überlegen, doch er hatte andere Religionen geachtet und eher ihre Gemeinsamkeit mit der Liga
    betont als ihre Verschiedenheit. Mahaguru Gordon Blake hingegen ging es nur mehr um die Überlegenheit der Liga. In Vorträgen äußerte er sich mit arroganter
    Herablassung über die großen Weltreligionen, ließ bestenfalls das Christentum als Grundlage der westlichen Zivilisation gelten, versuchte sogar, sich mit
    einflussreichen Evangelisten und fundamentalistischen christlichen Gruppen zu verbünden, indem er ihre Kampagnen gegen Abtreibung, Pornografie und
    Gottlosigkeit unterstützte. Auf einer Schulung von Lireps höhnte Gordon: „Was haben diese sogenannten östlichen Weisheiten wie Buddhismus, Hinduismus und
    andere denn hervorgebracht als bittere Armut, Schmutz, ungebildete, versklavte Ameisenmenschen, die leichte Beute werden für den Nihilismus der
    Kommunisten? Das Christentum hat seine spirituelle Kraft seit Jahrhunderten verloren, ist nur mehr leere Hülle, Institution, doch es hat die westliche Welt
    des Fortschritts, der Bildung, des Wohlstands, geprägt und so ihren Zweck erfüllt. Die Liga hingegen vereinigt ungebrochene spirituelle Kraft und Weisheit
    mit den hohen Werten unserer Zivilisation, mit individueller Freiheit, geistiger Gesundheit, Menschenrechten, Moral, Bildung, Fortschritt und Fülle. Die
    Liga bietet den einzigen authentischen spirituellen Weg für den modernen Menschen.“
    Gordon verstieg sich so weit, in einem Wahrheitsbrief alle großen Religionsgründer und Heiligen auf der Leiter der Liga-Einweihungen einzuordnen. Jesus
    hatte es demnach am weitesten gebracht. Er galt als Eingeweihter des sechsten Kreises, eine Stufe unter den meisten Lireps und zwei Stufen unter Ted und
    mir.
    „Du kannst Messias zu mir sagen,“ witzelte Ted, doch ich konnte über solche Witze nicht mehr lachen.
    Auch Gordon bekam Gelegenheit, seine Philosophie in einer großen TV-Talkshow einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Im Gegensatz zu Jasons Auftritt in
    der Show von Kevin King, in der Jason das Publikum fast hypnotisiert hatte, schöpfte Gordon aus der Fülle seiner emotionalen Energie. Er wirkte
    unwiderstehlich in seinem maßgeschneiderten Anzug, trat mit weltmännischer Souveränität auf und trug seine Argumente mit einer heiteren Gelassenheit vor,
    die unmittelbar die Herzen der Zuhörer berührte. Es ging dem Talkmaster nicht mehr darum,

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