Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
auftrat, übertraf die kühnsten
Erwartungen. Gordon lud Patrick Panetta ins Hauptquartier und empfahl ihn als neuen Präsidenten. Ted und mir war es gleichgültig. Wir stimmten zu, ohne
Panetta überhaupt zu kennen. Wir hegten beide die heimliche Hoffnung, die Liga würde allmählich zerbröckeln. Patrick Panetta nahm die Position an wie
etwas, das ihm selbstverständlich zustand. Schon bald vertraute Gordon ihm blind. Panetta machte das Hauptquartier, das in den letzten Jahren zu einer
behäbigen, bürokratischen Institution geworden war, zu einem professionellen Dienstleistungsunternehmen, organisierte um, entließ Personal, das
überflüssig wurde oder sich gegen die anstehenden Veränderungen sträubte, berief fähige Atmas, die er von seiner Zeit in New York kannte, ließ seine
Verbindungen spielen. In Panettas schwarzen Augen, die wie Lichter eines Raubvogels in einem scharf gekerbten hageren Gesicht lauerten, glänzte das Feuer
fanatischer Begeisterung für die Ideale der Liga.
Vom inneren Rat waren nur Ted und ich übrig geblieben, und natürlich der Mahaguru. Patrick Panetta, der als Präsident diesem Kreis auch angehörte, trat
dort im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die kaum mehr als Spielbälle unserer Launen gewesen waren, ohne Scheu auf, mit kühnen Visionen der Zukunft der Liga
und konkreten Plänen, sie in die Tat umzusetzen. Seine Vorschläge waren vortrefflich. Er trat in die Fußstapfen Robs und führte die Organisation auf die
gewohnte Erfolgsschiene zurück. Wir ließen ihm freie Hand. Auf Bitten Teds hatte ich mich nach dem Abgang von Rob und Jane vorübergehend und äußerst
lustlos erneut in die Organisation eingeschaltet. Nun war ich glücklich, mich wieder zurückziehen zu können.
„Panetta war früher Mönch,“ berichtete Ted, der aus Neugierde die Vergangenheit des neuen Präsidenten durchforstet hatte. „Franziskaner. Strenge Observanz.
Ein Fanatiker. Fasten, Selbstgeißelung und so weiter. Brillanter Kopf. Vor dem Rückzug von der Welt Studium der Betriebswirtschaft in Harvard mit
Auszeichnung. Begnadeter Baseballspieler. Beginn einer raketenhaften Karriere. Sohn aus allerbestem Hause. Weitreichende enge Beziehungen zu
einflussreichen Kreisen aus Wirtschaft, Hochfinanz und Politik. Wer weiß, vielleicht hätte es unser Patrick sogar zum Präsidenten der Vereinigten Staaten
gebracht und nicht nur zum Präsidenten der Liga. Aber plötzlich trifft ihn eine Lebenskrise. Seine Frau und seine Tochter kommen bei einem Unfall ums
Leben. Sinnfrage. Spirituelle Sentimentalitäten. Eine Erweckungserfahrung, in der ihm Franz von Assisi erscheint – aus heutiger Sicht war es natürlich
einer der uralten Adepten. Daher das andere Extrem – Kloster. Sein Sohn Richard wächst bei den Großeltern auf. Aber die braune Kutte wird ihm bald zu eng.
Er sprudelt über mit Ideen, Orden und Kirche effektiver zu gestalten, zeigt Missstände auf. Diese Ideen will keiner hören. Ein Mönch hat zu beten und zu
gehorchen. Er tritt wieder aus, engagiert sich im sozialen Bereich, baut eine Spendenorganisation auf und kommt über eines von Jasons karitativen Projekten
mit der Liga in Kontakt. Hier kann er Spiritualität und Weltlichkeit perfekt verbinden. So etwas geht nur in der Liga. Du siehst, mein Freund, das Konzept
unseres guten alten Jason – das Hju umsäusle seine Ruhestätte – passt exakt in unsere Zeit und zieht die brillantesten Köpfe an. In der Liga
Senkrechtstart. Was er anfasst wird zu Gold. Vor solchen Leuten muss man sich in Acht nehmen. Vor allen Dingen kein falsches Wort über die Liga. Er nimmt
den Unfug ernst. Für ihn stehen wir beide fast auf der gleichen Stufe wie der Mahaguru. Wir sind mittlerweile zu Heiligen avanciert, falls dir das noch
nicht aufgefallen sein sollte. Also benimm dich entsprechend, zumindest in der Gemeinschaft der Apostel.“
Ted grinste breit. Sein Zynismus, mit dem er das „Ligaspiel“ spielte, gefiel mir nicht mehr. Ich floh in meine Reisen und Vergnügungen und versuchte, die
Liga so gut es ging zu verdrängen. Was Ted mir hin und wieder berichtete, oder was ich beim jährlichen Treffen des inneren Rates zu hören bekam, stieß mich
ab.
Patrick Panetta gewann rasch Einfluss auf Gordon. Der Mahaguru hob Panetta in den vierten Kreis der Einweihung, ein Privileg, das seit den Zeiten Jasons,
als Rob Garcia und John Campbell diese Stufe erreicht hatten, keinem Atma mehr widerfahren war. Mit Billigung Gordons baute Panetta einen
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