Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
nennen willst, etwas zu machen. Und Gordon – wirf einen Blick in seine Hausbar und seinen
Medikamentenschrank, dann weißt du, womit sich der Mahaguru bei Laune hält, wenn er es nicht gerade mit den Frauen seiner Mitarbeiter treibt oder auf den
Seminaren die Mädchen, die ihn anhimmeln, mit aufs Zimmer nimmt.“ Jane begann zu weinen. „Was ich mir von diesem erschwindelten Geld nehme, kann all die
verpfuschten Jahre nicht wieder gut machen. Leb wohl, Walt.“ Sie hängte ein, ohne dass ich ein Wort erwidern konnte. Ich habe nie wieder von ihr gehört.
Obwohl von der Angelegenheit kaum etwas an die Öffentlichkeit drang, die Scheidung Janes und Gordons in aller Stille abgewickelt wurde und Jane
anschließend mit ihrem Geliebten Rob Garcia in der Versenkung verschwand, markierte dieser Vorfall den Beginn der zweiten Krisenzeit der Liga. Den Atmas
wurde mitgeteilt, die Verantwortung des Mahaguru sei zu gewaltig, um Raum zu lassen für Familienleben und irdische Bindungen, der Mahaguru lebe fortan in
Einsamkeit und widme sich ausschließlich seinen spirituellen Aufgaben. Als wolle er das unter Beweis stellen, sagte Gordon eine Vortragsreihe ab und zog
sich nach Blackwater zurück, eine einsam gelegene Farm in Arizona, die ein reicher Liga-Pionier der Organisation vererbt hatte. Die meisten Atmas nahmen
die Neuigkeiten hin wie jede andere offizielle Verlautbarung des Hauptquartiers – als göttliches Gesetz. Bei manchen aber lebten die alten Zweifel an
Gordons Authentizität als Mahaguru wieder auf. Ein Klatschjournal brachte Fotos von Gordon Hand in Hand mit einer blutjungen Schönheit in einem karibischen
Luxusresort. Es war die Tochter eines Liga-Pioniers, der daraufhin die Organisation verließ und begann, Interna über Jason und Gordon auszupacken.
Fotokopierte Manuskripte über die wahre Geschichte der Liga und den Lebenswandel des Mahaguru machten die Runde, darunter zwei Enthüllungsgeschichten von
rachsüchtigen verlassenen Geliebten, die freizügig Gordons sexuelle Vorlieben breitwalzten. Es kam zu Prozessen und hin und wieder auch zu als „Vergleich“
getarnten erfolgreichen Erpressungsversuchen, in denen die Liga Schweigegelder zahlte. In den Kreisen der Liga brodelte die Gerüchteküche. Viele Atmas
begannen den Mahaguru infrage zu stellen. Gordon sah sich gezwungen, eine Reihe von Liga-Pionieren zu degradieren und einige Lireps ihrer Ämter zu
entheben. Zugleich schien die Kraft von Gordons Ausstrahlung zu wachsen. Die Atmas auf den Seminaren schmolzen in seiner Gegenwart und glaubten ihm jedes
Wort, wenn er davon sprach, dass die negative Kraft stets versuche, den Mahaguru durch Lügen, Verleumdungen und andere Angriffe in seiner kosmischen
Mission zu behindern. Hätte Gordon in einem solchen Vortrag seine Anhänger aufgefordert, hinauszugehen und die Feinde der Liga zu vernichten – sie hätten
es in dem Glauben getan, einen heiligen Krieg im Namen der Wahrheit zu führen. Die Liga glitt immer tiefer in ein Halbdunkel von Fanatismus und blindem
Glauben.
Die millionenschwere Abfindung für Jane hatte empfindliche Löcher in die Kassen gerissen. Obwohl die Liga unter Robs Leitung zu einem internationalen
Konzern mit einem komplizierten Geflecht von Firmenbeteiligungen geworden war, vermochte sie einen solchen Betrag nicht ohne Weiteres zu verschmerzen. Ich
hatte mich in all den Jahren nicht um diese Dinge gekümmert, sondern ausschließlich um die Gewinne, die auf meine eigenen Konten flossen. Nun aber, da Rob
die Liga verlassen hatte, begannen die Grundfesten der Organisation zu wanken.
In dieser schwierigen Zeit trat Patrick Panetta in Erscheinung, ein etwa fünfundvierzigjähriger Mann von der Ostküste, der es durch seinen ehrgeizigen
Einsatz für die Liga rasch geschafft hatte, in der Hierarchie emporzusteigen und Lirep von New York City zu werden. Innerhalb kürzester Zeit machte er das
dortige Liga-Zentrum, das unter den vorangegangenen Lireps in den unteren Regionen der Zuwachsstatistik rangiert hatte, zu einem Magneten des Erfolgs. Als
die Lireps in aller Welt über die Krise der Liga klagten, über rückläufige Mitgliederzahlen und demotivierte Atmas, schaffte es Patrick Panetta, die
Mitgliedschaft des New Yorker Zentrums zu verdoppeln. Viele Prominente fanden sich plötzlich auf den Spendenlisten seines Territoriums, unter anderem hohe
Politiker der Stadtverwaltung und einflussreiche Personen aus der Finanzwelt. Das New Yorker Seminar, bei dem Gordon
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