Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Gespräch über kurz oder lang am Mahaguru oder abstrusen
spirituellen Haarspaltereien strandete. Ich führte sie zum Essen aus, wir plauderten über Italien, über Kunst, über Bücher, über neue Filme. Es war eine
Erholung, einen Abend lang nicht die Wörter Jason, Mahaguru oder Hju hören zu müssen. Wir kamen nach dem Dinner, das eigentlich als Arbeitsessen gedacht
war – sie bot mir ihr erstes eigenes Buchmanuskript an, ihre umgeschriebene Doktorarbeit über Piero della Francescas Freskenzyklus in Arezzo – nicht
voneinander los, zogen durch einige Klubs, kamen weit nach Mitternacht in ausgelassen fröhlicher Stimmung in ihr Apartment und schliefen miteinander, als
sei das völlig selbstverständlich. Unser Verhältnis war nicht von Dauer. Wir liebten uns nicht – für mich war sie eine Möglichkeit der Flucht vor der Liga,
für sie war ich ein amüsantes Abenteuer oder – vielleicht tue ich ihr Unrecht – die lohnende Verbindung zu einem Verleger, denn ihr Buch erschien
tatsächlich kurz darauf in meinem Verlag. Unsere Affäre dauerte nur wenige Wochen, bis Edith durch einen dummen Zufall dahinterkam. Ich trennte mich von
Diana, bat Edith um Verzeihung, flehte sie an, es noch einmal zu versuchen, doch unsere Ehe war unwiderruflich gescheitert. Ich hatte nur noch den Grund
für die sofortige Trennung geliefert.
Sie telefonierte mit Jason, mit Jane, mit Fred. Jason verhielt sich neutral, riet ihr, in der Meditation die uralten Adepten um Beistand zu bitten; er
selbst dürfe sich nicht in persönliche Angelegenheiten der Atmas einmischen. Jane redete Edith zu, zurück nach Deutschland zu gehen. Auf diese Weise wurde
sie die unbequeme Rivalin los. Was Fred ihr sagte, ist leicht zu erraten – er bot ihr ein neues Leben im Zeichen der Liga. Edith reichte die Scheidung ein
und bereitete sich vor, die USA zu verlassen. Sie mietete ein Apartment in der Nähe des Liga-Büros und sie nahm Benjamin mit. Sie verfolgte ihren Plan mit
eisiger Konsequenz. Mein Seitensprung war nicht der eigentliche Grund.
„Du bist ein Parasit der Liga,“ beschimpfte sie mich. „Du saugst nur Geld aus den heiligen Schriften des Mahaguru. Eines Tages wird dich das Hju dafür zur
Rechenschaft ziehen.“
Ihre Verletztheit wandelte sich in Hass. Sie versuchte, Jason zu sehen, doch der Mahaguru gab sich bedeckt, schützte unaufschiebbare Arbeit oder
Vortragsreisen vor, antwortete auf ihre Anklagen gegen mich mit unverbindlichen Ratschlägen. Als Edith ihn fragte, ob sie nach Deutschland zurückkehren
solle, bejahte er und sagte, die uralten Adepten würden sie dorthin senden, um die Macht des Hju in der alten Welt zu verbreiten. Es sei wichtig, dass eine
Eingeweihte des vierten Kreises nach Europa reise, um dort als Instrument des Mahaguru zu wirken. Alles sei von der Urkraft so gewollt und gelenkt, obwohl
ihre Wege manchmal schmerzvoll und dem menschlichen Denken unbegreiflich seien. Dies tröstete Edith. Sie sah sich nun als Märtyrerin, die ihr Leben für die
Liga opferte. „Es schmerzt mich ungeheuer, das Land zu verlassen, in dem der Mahaguru lebt und seine Nähe aufzugeben, die mir so unersetzlich kostbar ist,
doch ich gehe in dem Wissen, dass das Wohl der Liga wichtiger ist als meine persönlichen Wünsche,“ schrieb sie an Jason, der dieses Zitat später in einen
seiner Wahrheitsbriefe als Musterbeispiel für die Hingabe eines wahren Atma einarbeitete, natürlich ohne Ediths Namen zu nennen.
Ich erfüllte Ediths finanzielle Ansprüche ohne Widerrede. Nur ihrer Forderung, unseren Sohn nach Deutschland mitzunehmen, wollte ich mich nicht beugen.
Edith hielt Ben vor mir versteckt. Sie wollte nicht, dass meine „schlechten Schwingungen“ ihn beschmutzten. Mein Anwalt riet zu gerichtlichen Schritten, um
das Sorgerecht für Ben zu erstreiten. Aber ich scheute diesen Kampf, fürchtete mich vor Ediths radikalem Fanatismus. Sie hätte Ben lieber ermordet, als ihn
mir zu überlassen. Sie zog um, ohne ihre Adresse zu hinterlassen, war nur noch über ihren Anwalt erreichbar. Schließlich gab ich nach. Die Scheidung wurde
vollzogen; Edith reiste kurz darauf mit Ben nach Europa. Ich konnte nur noch erreichen, dass ich meinen Sohn am Tag vor der Abreise zum letzten Mal sehen
durfte und ich hielt ein von den Anwälten ausgehandeltes, aber praktisch wertloses Papier in Händen, in dem Edith mir das Recht einräumte, Ben einmal
wöchentlich zu besuchen und an einem Wochenende im Monat zu mir zu nehmen. Als ich
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