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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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geschaffen, ein System, das
    Eitelkeit und Geltungssucht der Atmas benutzte, um sie der Liga hörig zu machen. Da die Einweihungen als Teil der kosmischen Hierarchie angesehen wurden,
    die auch in den jenseitigen Welten Gültigkeit besaßen, bedeutete ihre Erlangung einem gläubigen Atma mehr als beruflicher oder sozialer Aufstieg. Die
    Aussicht auf Zugang zum nächsten Kreis war für viele Atmas Grund genug, der Liga alles zu geben, was sie besaßen, ihre Partner zu verlassen, die
    Hindernisse auf ihrem Weg schienen und blind jede Anweisung auszuführen, die der Mahaguru in seinen Wahrheitsbriefen vorschrieb.
    Jane, Edith, Ted und ich bildeten nach unserer Einweihung in den vierten Kreis die spirituelle Speerspitze der Liga. Obwohl Ted und ich nie als Sprecher
    bei Seminaren oder Vorträgen auftraten, spürten wir bei unvermeidlichen Begegnungen mit Atmas den enormen Respekt, den man uns entgegenbrachte. Selbst
    unsere Zurückgezogenheit wurde als geheimnisvolle spirituelle Tugend gepriesen.
    „Wenn man mit diesen Menschen spricht, glaubt man fast selber daran, dass man ein erleuchtetes Wesen ist,“ sagte ich einmal zu Ted, nachdem wir bei einem
    Arbeitstreffen mit kalifornischen Liga-Pionieren diese Welle fast unterwürfigen Respekts gespürt hatten.
    „Genau das ist der Effekt der Einweihungen. Alle glauben daran und bestätigen sich auf diese Weise gegenseitig. Ein wunderbares System, das den Größenwahn
    der Leute benutzt, sich gegenseitig hochzuschaukeln,“ antwortete er. „Es gibt nicht schöneres, als seinem Nächsten überlegen zu sein. Und jetzt stell dir
    vor, dass der Nächste diese Überlegenheit auch noch zweifelsfrei anerkennt. Spätestens dann glaubst du selbst daran. So nehmen sich die Atmas gegenseitig
    ihre Zweifel und blasen einander das Ego auf. Außerdem hält es die Leute bei der Stange, wenn es immer noch etwas höheres zu erreichen gibt. Das ist die
    Macht einer Gruppe. Simpelste Gruppendynamik. Grundlagen der Psychologie. Da hast du wohl gefehlt in Stanford.“
    Obwohl Ted und ich die spirituellen Aspekte der Liga nüchtern und zynisch beurteilten, begannen wir mit dem Aufbau einer professionellen Organisation.
    Schon bald nach dem ersten Hauptseminar war Jane mit der Führung des Liga-Büros, das Jason stolz Hauptquartier nannte, überfordert. Sie war eine einfache
    Bibliotheksangestellte, zwar vom ehrgeizigen Drang nach Höherem gepackt, doch nicht mehr in der Lage, mit den explodierenden Anforderungen der Organisation
    zurechtzukommen. Jason wandte sich an Ted und mich. Er vertraute uns blind. Die Räume, die wir vor einigen Monaten für die Liga angemietet hatten, wurden
    zusammen mit dem Liga-Verlag, den bislang meine Angestellten mit betreut hatten und dem Büro Jasons in einem Gewerbegebäude außerhalb von San Francisco
    untergebracht. Ted und ich halfen persönlich beim Auszug des Büros aus Jasons kleiner Wohnung in Los Angeles. Wir waren nur dieses eine Mal in der privaten
    Sphäre des Mahaguru. Es war ein Apartment in einem hässlichen Neubaukomplex, von dessen einzigem Fenster man über den Parkplatz eines Supermarktes blickte.
    Die Einrichtung war so geschmacklos spießig, dass Ted wochenlang seine Witze darüber riss. Kurze Zeit später zogen Jason und Jane in eine komfortable, von
    einem Innenarchitekten gestylte Villa in Santa Barbara, auf Betreiben von Jane, die endlich die Früchte des Liga-Erfolges genießen wollte.
    Wir zogen Rob Garcia, einen Rechtsanwalt aus Teds Freundeskreis, hinzu, um eine geeignete Rechtsform für die Organisation zu finden. Anfangs sträubte sich
    Jason, aus der Liga eine Kirche zu machen, denn, wie er stets betonte, war die Liga keine Religion, sondern ein Weg freien Denkens. Doch die Steuervorteile
    und Gewinnberechnungen, die Rob herunterleierte, und wahrscheinlich auch Janes geduldiges Zureden belehrten ihn schließlich eines Besseren. Der Liga-Verlag
    wurde aus Steuergründen ebenfalls in die Kirche eingebracht, wobei wir aber die Gewinnabrechnungen so beibehielten, wie es unser Kontrakt mit Jason
    festlegte. Ein weiterer lukrativer Vertrag, der uns nun auch Tantiemen aus Seminareinnahmen und dem Verkauf von Tonbandkassetten und allerlei
    Liga-Accessoires sicherte, verband Ted und mich noch enger mit der Liga. Jason ernannte mich zum ersten Präsidenten der Organisation.
    „Es ist wie im Mittelalter,“ scherzte Ted, „er ist der Papst und sorgt für das Seelenheil und du bist der Kaiser, den er als weltlichen Herrscher krönt,
    wie

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