Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
sich das eben für eine richtige Kirche gehört.“
„Und du bist der Propagandaprediger, der die Kreuzzüge ankurbelt,“ antwortete ich.
Ted gab seinen Job beim
Star
auf. Kurioserweise kaufte die Liga Jahre später den
Star
und machte ihn zu einem nur dürftig getarnten
Liga-Organ. Es versteht sich von selbst, dass unmittelbar danach alle verfänglichen Artikel und Dokumente, die Jasons enge Verbundenheit mit Nazir Ji und
seinen Werdegang in dubiosen okkulten Gruppen bewiesen, aus den Archiven des
Star
verschwanden.
Ted versuchte durch seine weit gefächerten Beziehungen und Verbindungen zu Verlagen und Redaktionen die Öffentlichkeitsarbeit auf eine breite Basis zu
stellen, was ihm, wie der kometenhafte Aufstieg der Liga beweist, vortrefflich gelang. Der Aufbau der Liga war eine Herausforderung für uns beide und
zugleich ein Rausch, der mit jeder Erfolgsmeldung zunahm. Es gab keine Rückschläge oder Stagnation, es ging nach dem Erscheinen von
Welten der Wahrheit
und dem ersten Liga-Seminar nur steil nach oben. Jane blieb die Rolle der „Geldzählerin“, wie Ted es auszudrücken pflegte. Sie
überwachte, noch immer mit verborgenem Argwohn, die Bilanzen und Zahlungsaufstellungen, die wir ihr nach Santa Barbara schickten und besuchte uns
regelmäßig, um das Hauptquartier zu inspizieren. Sie hatte sich abgefunden, keine führende Rolle mehr in der Organisation zu spielen, sondern fühlte sich
als First Lady der Liga, für die Ted und ich als Manager zu arbeiten hatten. Ich glaube, Jane war nie wirklich an spirituellen Dingen interessiert. Sie
hatte nur das Potenzial erkannt, das in Jason steckte und wusste es zu nutzen. Wäre er als Erfinder, Künstler oder Geschäftsmann erfolgreich gewesen, es
wäre ihr vermutlich gleichgültig gewesen. Sie kostete ihren Erfolg auf recht konventionelle Art aus, hatte eine Vorliebe für teure Kleider und schnelle
Autos, genoss die Reisen an Jasons Seite, genoss die Verehrung, die ihm und ihr entgegenschlug, genoss die privilegierte Position als seine Gattin und den
mythischen Nimbus, den die Atmas ihr beimaßen.
„Jede Kirche braucht eine Muttergottheit,“ scherzte Ted, „nahtlos fügt sich die Ahnengalerie aneinander – Kybele, Isis, Maria, Jane.“
Der Erfolg der Liga war beängstigend. Nun strömte das Geld aus zwei Hauptquellen, zum einen aus dem Verkauf der Bücher, zum anderen aus Mitgliedschafts-,
Kurs- und Seminargebühren der Atmas. Als dritte Quelle kam bald eine Einkommensart hinzu, an die wir kaum gedacht hatten: Die Atmas begannen zu spenden.
Sie schickten in ihrer Begeisterung nach einem Seminar oder Vortrag große und kleine Summen ans Hauptquartier, um ihren Beitrag zur Verbreitung der Lehre
zu leisten. Manche setzten die Liga in ihr Testament ein und ließen im Laufe der Jahre Grundstücke, Häuser, Aktien und Bankkonten an den Mahaguru fallen.
Meine Idee war gewesen, von der Abhängigkeit von Spenden, in der alle Kirchen steckten, loszukommen, indem wir jährliche Mitgliedschaftsgebühren
einführten, mit denen wir fest kalkulieren konnten, aber die Atmas zahlten pünktlich ihre Gebühren und spendeten obendrein. Als wir Jason diese Tendenz
berichteten, handelte sein nächster Wahrheitsbrief vom Segen des Gebens. Er betonte, dass freiwilliges Geben für die Liga unabdingbar für den Erfolg jedes
einzelnen auf seinem Weg zu den höheren Stufen der Einweihung sei. Wenn später einmal der Spendendurchschnitt absank, wurde stets dieser Brief zitiert, um
die Geldbeutel der Atmas ein Stück weiter zu öffnen. Groß angelegte Werbekampagnen wurden mit diesen Spendengeldern finanziert.
Edith hatte während ihrer Schwangerschaft eifrig mitgearbeitet. Jason hatte ihr die Beantwortung von Briefen übertragen, in denen Atmas Fragen zur
Philosophie der Liga stellten, da Edith als seine persönliche Lektorin bestens mit den Liga-Lehren vertraut war. Einmal die Woche kam ein Packen Briefe aus
Santa Barbara. Edith fühlte sich über alle Maßen geehrt, diese Korrespondenz im Namen des Mahaguru führen zu dürfen. Sie vergötterte Jason und machte ihm
mehrmals den Vorschlag, doch in die Nähe des Hauptquartiers zu ziehen, begann sogar, ihm geeignete Häuser vorzuschlagen. Doch Jason blieb im Süden
Kaliforniens, nicht zuletzt wegen Jane, die in Edith eine heimliche Rivalin sah, die man nicht zu nahe an Jason heranlassen durfte. Edith und Jane
begegneten sich stets mit übertriebener Herzlichkeit wie engste Freundinnen, doch hinter dieser Maske
Weitere Kostenlose Bücher