Der Name der Rose
Anhängern endlich verwahrt in Unseren Kerkern, dank der Beharrlichkeit Unseres verehrungswürdigen Bruders Raniero, Bischof von Vercelli, der ihn gefangennahm am Tage des heiligen Abendmahls Unseres Herrn, und wurde der Haufe, der mit ihm war, da verseucht von der Kontagion, noch selbigen Tages getötet.« Der Papst war gnadenlos und befahl dem Bischof, die Gefangenen unverzüglich hinrichten zu lassen. So wurden die Ketzer im Juli desselben Jahres, am ersten Tage des Monats, dem weltlichen Arm übergeben. Unter dem Sturmläuten sämtlicher Glocken der Stadt wurden sie auf einen Karren gebunden, und, umstellt von Henkersknechten sowie gefolgt von Milizsoldaten, durch die Straßen gezogen, und an jeder Kreuzung riß man ihnen mit glühenden Zangen Fleischstücke aus dem Körper. Margaretha wurde als erste verbrannt, vor den Augen Dolcinos, der keinen Gesichtsmuskel dabei rührte, so wie er auch keinen Klagelaut von sich gab, als ihm die Zangen ins Fleisch fuhren. Dann setzte der Karren seinen Umzug fort, und die Henkersknechte tauchten ihre Eisen in Bottiche voller kochendem Öl.
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Der Name der Rose – Dritter Tag
Dolcino litt weitere Qualen und blieb weiterhin stumm, nur als man ihm die Nase amputierte, zog er ein wenig die Schultern hoch, und als man ihm das männliche Glied abriß, war ein langer Seufzer zu hören wie ein leises Jaulen. Das letzte, was man von ihm vernahm, war ein Aufruf zur Unbußfertigkeit und die Ankündigung, er werde am dritten Tage auferstehen. Dann wurde er verbrannt, und seine Asche wurde in alle Winde zerstreut.
Ich schloß das Buch mit zitternden Händen. Dolcino hatte zweifellos schlimme Verbrechen begangen, aber sein Tod war entsetzlich gewesen. Und auf dem Scheiterhaufen hatte er sich verhalten wie . . . ja, wie eigentlich? Wie ein standhafter Märtyrer oder wie ein verstockter Sünder? Während ich schwankend die Stufen zur Bibliothek erklomm, begriff ich plötzlich, warum ich so erregt und verwirrt war. Denn auf einmal stand mir eine Szene vor Augen, die ich wenige Monde vorher gesehen, kurz nach meiner Ankunft in der Toskana. Eine schreckliche Szene, und sie stand mir so lebhaft vor Augen, daß ich mich fragte, wie ich sie bis zu diesem Augenblick hatte vergessen können, als hätte meine kranke Seele eine Erinnerung tilgen wollen, die auf ihr lastete wie ein Alptraum. Vielleicht aber hatte ich sie in Wirklichkeit gar nicht vergessen, denn jedesmal, wenn in den letzten Tagen jemand in meiner Gegenwart von Fratizellen gesprochen hatte, waren Bilder jenes Geschehens vor meinem inneren Auge aufgetaucht, die ich dann jedesmal schnellstens wieder in die hintersten Winkel meines Geistes verbannte, als wäre es eine Sünde gewesen, Zeuge jener Greuel geworden zu sein.
Zum erstenmal nämlich hatte ich von Fratizellen gehört, als ich eines Tages in Florenz einen von ihnen brennen sah. Es war kurz vor meiner Begegnung mit Bruder William gewesen. Seine Ankunft in Pisa hatte sich ein wenig verzögert, und so hatte mein Vater mir erlaubt, die Stadt Florenz zu besuchen, um ihre berühmten Kirchen zu sehen. Ich war erst ein wenig in der Toskana herumgereist, um meine Kenntnisse der italienischen Volkssprache zu verbessern, und dann nach Florenz gelangt, wo ich die letzte Woche zu verbringen gedachte, denn ich hatte schon viel von der Stadt am Arno gehört und brannte darauf, sie kennenzulernen.
Kaum eingetroffen, hörte ich von einem spektakulären Fall, der die ganze Stadt in große Erregung versetzte. Ein häretischer Bettelmönch, der wegen angeblicher Verbrechen gegen die Religion dem Bischof und anderen kirchlichen Würdenträgern vorgeführt worden war, wurde in jenen Tagen einem strengen und ausgedehnten Verhör unterzogen. Mitgerissen vom Strom der Neugierigen begab ich mich zum Ort des Geschehens, wobei ich die Leute sagen hörte, daß dieser fraticello – er hieß Michele – in Wahrheit ein frommer Mann sei, der Buße und Armut gepredigt habe mit den Worten des heiligen Franz; vor die Richter sei er gekommen durch die Bosheit gewisser Frauenzimmer, die ihn angelockt hätten unter dem Vorwand, sie wollten ihm beichten, und die dann hinterher behauptet hätten, er habe ketzerische Äußerungen getan.
Ja, und er sei von den Männern des Bischofs direkt im Haus dieser Frauenzimmer gefaßt worden – ein Umstand, der mich den Kopf schütteln ließ, denn zweifellos hätte ein Mann der Kirche sich niemals bereitfinden dürfen, die Sakramente an einem so unpassenden Ort zu
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