Der Name der Rose
hereticum et heretica labe pollutum et contra fidem cactolicam credentem et affirmantem . . . Deum pre oculis non habendo sed potius humani generis inimicum, scienter, studiose, appensate, nequiter et animo et intentione exercendi hereticam pravitatem stetit et conversatus fuit cum Fraticellis, vocatis Fraticellis della povera vita hereticis et scismaticis et eorum pravam sectam et heresim secutus fuit et sequitur contra fidem cactolicam . . . et accessit ad dictam civitatem Florentie et in locis publicis dicte civitatis in dicta inquisitione contentis, credidit, tenuit et pertinaciter affirmavit ore et corde . . . quod Christus redentor noster non habuit rem aliquam in proprio vel comuni sed habuit a quibuscumque rebus quas sacra scriptura eum habuisse testatur, tantum simplicem facti usum.
Doch nicht nur dieser Delikte wurde er angeklagt, es gab noch andere, und eines davon erscheint mir besonders schändlich, obwohl ich nicht weiß (so wie der ganze Prozeß verlaufen war), ob er tatsächlich so etwas behauptet hatte; es hieß nämlich in dem Urteil auch, besagter Michele habe die Meinung vertreten, der heilige Thomas sei weder heilig noch des ewigen Heils teilhaftig geworden, vielmehr sei er verdammt und zur Hölle gefahren! Das Urteil schloß mit der Strafe, die verhängt worden sei, weil der Angeklagte nicht habe widerrufen und zum rechten Glauben zurückfinden wollen:
Costat nobis etiam ex predictis et ex dicta sententia lata per dictum dominum episcopum florentinum, dictum Johannem fore hereticum, nolle se tantis herroribus et heresi corrigere et emendare, et se ad rectam viam fidei dirigere, habentes dictum Johannem pro irreducibili, pertinace et hostinato in dictis suis perversis herroribus, ne ipse Johannes de dictis suis sceleribus et herroribus perversis valeat gloriari, et ut eius pena aliis transeat in exemplum; idcirco, dictum Johannem vocatum fratrem Micchaelem hereticum et scismaticum quod ducatur ad locum iustitie consuetum, et ibidem igne et flammis igneis accensis concremetur et comburatur, ita quod penitus moriatur et anima a corpore separetur.
Als dann das Urteil bekanntgemacht wurde, kamen noch einmal Männer der Kirche zum Gefängnis und verkündeten dem Verurteilten, was geschehen werde, und ich hörte sie sogar sagen: »Frau Michele, die Mitren und Mäntelchen sind schon fertig, und man hat sie bemalt mit Fratizellen, umgeben von Teufeln.«
Sie sagten das, um ihn zu erschrecken und ein letztes Mal zum Widerruf zu bewegen. Doch Fra Michele kniete nieder und sprach: »Ich denke, daß der Scheiterhaufen umgeben sein wird von unserem Vater Franziskus und, jawohl, von Jesus mit seinen Jüngern sowie von den ruhmreichen Märtyrern Bartholomäus und Antonius.« Womit er ein letztes Mal das Angebot der Inquisitoren ablehnte.
Am nächsten Morgen stand ich auf der Brücke namens Ponte del Vescovado, wo sich die Inquisitoren versammelt hatten, denen Fra Michele, noch immer in Ketten, vorgeführt wurde. Einer seiner Getreuen kniete vor ihm nieder, um sich von ihm segnen zu lassen, wurde jedoch sofort von den Bewaffneten ergriffen und fortgeführt ins Gefängnis. Dann verlasen die Richter noch einmal das Urteil und fragten Michele, ob er seine Sünden bereue. Doch jedesmal, wenn es im Urteil hieß, er sei ein Häretiker, rief er mit lauter Stimme: 147
Der Name der Rose – Dritter Tag
»Nicht Häretiker bin ich! Sünder, ja, aber gut katholisch!« Und als Papst Johannes XXII. einmal im Text
»venerabilissimus et sanctissimus« genannt wurde, fuhr Michele dazwischen: »Nein, haereticus!« Und als der Bischof ihm dann befahl, vor ihm niederzuknien, erwiderte Fra Michele, er kniee nicht vor einem Ketzer, und als sie ihn in die Knie zwangen, murmelte er: »Gott wird es mir vergeben!« Er war mit allen seinen Priesterinsignien vorgeführt worden, und so begann nun eine Zeremonie, bei der ihm Stück für Stück die Paramente abgenommen wurden, bis er in jenem Hemd dastand, das man in Florenz die cioppa zu nennen pflegt. Und wie es Brauch ist, wenn einem Priester seine Würde aberkannt wird, wurden ihm mit einem scharfen Messer die Fingerkuppen rasiert und die Haare geschoren. Dann wurde er dem Hauptmann und seinen Männern übergeben, die ihn packten, in Ketten legten und zurück in den Kerker verbrachten, wobei er der Menge zurief: » Per Dominum moriemur! « Er sollte nämlich, wie ich erfuhr, erst am nächsten Tage verbrannt werden. An diesem Tage indessen fragte man ihn noch mehrmals, ob er nicht
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